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Wer nach Meese fragt, bleibt allein

Von Edwin Baumgartner

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Sind schon lästig, diese Journalisten. Da gewährt man als Festspielleiterin huldvoll ein Interview, und dann kommt so ein Schreiberling und fragt nicht nach den künstlerischen Plänen (man ist ja auch regieführend tätig), nicht nach Konzepten, bei deren Erklärung man seine rhetorische Brillanz unter Beweis stellen kann, nicht nach Erfolgen (alles, denn wer bestimmt, was ein Erfolg ist?), nein, er fragt nach Jonathan Meese. Das ist jener deutsche Künstler, der hin und wieder den Hitlergruß zeigt - als Kunstaktion, wohlgemerkt, nicht, weil er selbst so denkt, das hat ihm jetzt sogar ein deutsches Gericht zugebilligt.

Der Mitarbeiter der israelischen Zeitung "Haaretz" wagte die Frage - und schon saß er allein da. Katharina Wagner, eine der beiden Leiterinnen der Bayreuther Festspiele und potenzielle Interviewte, stand auf und ging. Menschenskind, ist doch wirklich zu blöd - nur, weil man einen als Regisseur für Bayreuth 2016 engagiert hat, der den Hitlergruß macht (und ihn, wie gesagt, ganz anders meint), soll man Fragen beantworten. Und nur, weil man aus einer Familie stammt, in der Adolf Hitler der "Onkel Wolf" war.

Ich glaube Meese, dass er kein Nazi ist, und ich glaube Katharina Wagner, dass sie mit der braunen Vergangenheit ihrer Familie nichts am Hut hat. Dennoch: Wenn man als Wagner-Nachfahrin einen Hitlergrußgrüßer engagiert, sollte man Fragen beantworten. Unter anderem auch jene, ob Bayreuth, gerade Bayreuth, wirklich der richtige Ort für ein Spiel mit der NS-Symbolik sein kann und ob dieses Spiel nicht auch von denen, die es wollen, als Flaggezeigen verstanden werden kann.