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"Wer nachlässt, wird nicht gewinnen"

Von Alexander Strecha

Politik
Ein Leben mit dem Sport: Innenministerin Liese Prokop. BM.I/Alexander Tuma

Sport ist stark wie nie in der Gesellschaft verankert. | Schul-Autonomie bremst die Bewegung Jugendlicher.


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"Wiener Zeitung":Frau Innenministerin, wie sehen Sie als ehemalige Spitzenathletin den Sport in der heutigen Gesellschaft?Liese Prokop: Durch die Veränderungen in der Gesellschaft ist der Zugang ein anderer. Die Verflechtung des Sports ins tägliche Leben ist heute stärker, er wird oft nicht von der Arbeitszeit differenziert. Die Statistiken besagen, dass die aktiven Sporttreibenden weniger geworden sind. Das ist interessant. Wobei man die Statistiken nicht vergleichen darf, weil die heutigen viel genauer sind. Sport hat mehr Eingang in die Gesellschaft an sich gefunden. Für viele ist der Sport mehr als nur die wichtigste Nebensache der Welt.

Wie kann man den Sport heute vergleichen mit dem Sport nach dem Weltkrieg bzw. zu Ihrer aktiven Zeit als Fünfkämpferin und Handballerin?

Es hat unterschiedliche Phasen gegeben. Nach dem Krieg gab es ein Durchatmen. Der Sport war nach dem Elend etwas Positives. Zu dieser Zeit begannen viele Leute mit Sport, um die Welt positiver zu sehen. Gleich nach 1945 wurden sehr viele Sportvereine und -verbände gegründet. In den folgenden zwei Jahrzehnten wuchs der Sport, man betätigte sich aus Freude. Das Interesse ist damals extrem gestiegen. In den 60er-Jahren gab es einen Jugendboom, und der Sport gehörte dazu. Als Spitzensportler hatten wir damals schon eine große mediale Aufmerksamkeit. Eine andere als heute, wahrscheinlich unbelastetere. Mit weniger Druck, weil wir damals keine Sponsoren hatten. Aber wir Leichtathletinnen wurden auf der Straße sehr wohl erkannt.

Was war Ihr Antrieb, Sport zu treiben?

Der Antrieb, sich verbessern zu wollen. Du fängst klein an, dann bist du Landesmeisterin, im Nationalteam und plötzlich bei Olympischen Spielen. Man gibt immer dazu. Einen Durchhänger darf man sich im Sport nicht leisten. Wer ihn nur für das Geld betreibt, wird nichts erreichen. Das verurteile ich oft beim Fußball und im Tennis. Man braucht den Leistungswillen.

War der Sport eine gute Schule für Ihren weiteren beruflichen Weg?

Sicher. Gewisse Kriterien des Sports hat man ja im Berufsleben. Du darfst nicht nachlassen. Wenn man immer aufhört, wenn es kritisch wird, dann wird man nie gewinnen.

Wie wichtig kann der Sport als Präventivmaßnahme gegen Gewalt sein?

Ich glaube bei jungen Menschen, die überschüssige Kräfte haben wie in der Pubertät, gibt es nichts Besseres als den Sport. Man kann sich austoben, Aggressionen auslassen und dosieren. Es sind Regeln vorhanden, man lernt zu verlieren. Das kann ich nirgendwo trainieren. Das gilt nicht nur in der Mannschaft, das gilt auch als Einzelsportler.

Weil Sie die Jugend ansprechen: Wie sehen Sie die Problematik mit Sport und Turnen an den Schulen?

Ich bin nicht glücklich darüber, dass die Turnstunden in der Autonomie der Schulen geregelt sind. Da unterliegt womöglich der Turnlehrer einer demokratischen Mehrheit. Wer streicht schon eine Mathematikstunde für eine Turnstunde? Eine körperliche Betätigung täglich ist absolut notwendig. Je länger die Jugendlichen sitzen, desto wichtiger ist die Bewegung. Es muss nicht unbedingt Sport sein.

Liegt die Lösung darin, dass man Vereine in die Schulen bringt?

Dort, wo Ganztagsformen vorherrschen, muss für Bewegung gesorgt werden. Wer in dieser Phase des Lebens das Bewegen verliert, der wird es nicht mehr wieder gewinnen. Oft denken Eltern, dass Schulsport auch Leistungssport ist. Das stimmt nicht. Aber je mehr Ganztagsformen entstehen, desto mehr leiden auch die Vereine darunter, weil die Kinder weniger Zeit haben. Daher ist die Überlegung vernünftig, Vereine in die Schulen zu bringen.

Ihr Leben ist vom Sport geprägt. Aus welchem Blickwinkel ist der Sport am schönsten - als Sportlerin, als Funktionärin oder als Politikerin?

Der Sport hat zum Glück viele Facetten. Natürlich ist er für einen Aktiven am intensivsten, weil du in erster Linie auf dich angewiesen bist. In der Politik ist das schon schwieriger. Als Funktionär wollte ich immer für die Sportler da sein. Das Aufregendste ist aber für mich das Erleben, wenn andere sporteln.