Selbstständige empfinden Abgaben als sehr belastend. | Keine "Glacé-Handschuh-Politik".
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Wien. Steuern werden vor allem von jenen Steuerzahlern als Verlust eigener finanzieller Mittel erlebt, die ihre Abgaben direkt aus der eigenen Tasche entrichten. Wer monatlich sein Nettogehalt überwiesen bekommt, erlebt Steuern weit weniger belastend als freiberuflich und selbstständig Tätige.
Besonders diese Steuerzahler klagen in den ersten Wirtschaftsjahren über enorm hohe Abgaben. Dazu zählen sie nicht nur ihre Einkommenssteuer, sondern auch Abgaben für Sozialversicherung, die für den Staat eingetriebene Mehrwertsteuer und mehr. Gerade zu Beginn der wirtschaftlichen Tätigkeit dürfte es also schwierig sein, die verschiedenen Geldflüsse differenziert "mental zu verbuchen". Wen wundert es da, dass noch unerfahrene Jungunternehmer meinen, dass die Abgaben beinahe ihren gesamten Gewinn ausmachen würden.
Enormer Druck
Die für die Gründung eines Unternehmens notwendigen Investitionen erzeugen starken ökonomischen Druck, um möglichst rasch in die schwarzen Zahlen zu kommen. Wenn noch unerfahrene Selbstständige und Unternehmer nicht zwischen den verschiedenen Geldflüssen differenzieren und am Ende einer Geschäftsperiode ihre Einkommensteuer aus der eigenen Tasche bezahlen, dann werden Steuern als schmerzhafter Verlust erlebt.
Lerneffekt nachgewiesen
In Laborexperimenten wurde festgestellt, dass die Überprüfung von Selbstständigen und Unternehmern in den ersten Jahren zu einem Lerneffekt führt. Die frühe Erfahrung, dass die eigenen Angaben tatsächlich kontrolliert werden, scheint das Verhalten von Steuerzahlern zu prägen, so dass sie auch ehrlich bleiben, wenn die Häufigkeit von Kontrollen wieder abnimmt.
Die Prüfung gerade zu Beginn der Geschäftstätigkeit muss dabei im Sinne einer "Service-Kunden-Orientierung" erfolgen, bei der auf Fehler hinzuweisen ist und Hilfestellungen zur Vermeidung der Fehler angeboten werden müssen. Die Prüfung muss den Zweck der Unterstützung erfüllen und nicht der Kontrolle und Strafe. Ein scharfes undifferenziertes Vorgehen gegen inkorrekte Angaben führt weder zu einem Lerneffekt noch zu erlebter Fairness und schon gar nicht zu freiwilliger Kooperation.
Auch Strafen sind nötig
Von der Steuerbehörde wird weder eine "Glacé-Handschuh-Politik" gefordert noch werden Kontrollen und Strafen verteufelt. Notwendig ist ein differenziertes Vorgehen gegenüber Fehlern, die aus Missverständnissen aufgrund der Komplexität der Gesetzes oder Unerfahrenheit resultieren und absichtlichen Verstößen gegen das Gesetz. Wer willig ist zu kooperieren, wird durch invasive Kontrollen und Strafen nicht nur verschreckt, sondern in die Opposition gedrängt. Wer sich aber den gemeinschaftlichen Pflichten absichtlich und wiederholt widersetzt, muss zur Pflichterfüllung gezwungen werden. Gegebenenfalls muss wiederholte Steuerhinterziehung durch den Entzug des Handwerks unmöglich gemacht werden.
Kontrollen und Strafen sind allein schon deshalb notwendig, um ehrliche Bürger davon zu überzeugen, dass Kooperation nicht nur einen hohen Wert für die Gemeinschaft hat, sondern auch um sicher zu stellen, dass die Kooperationswilligkeit der Mehrheit nicht von einigen wenigen Steuerpflichtigen ausgenutzt wird. Allerdings können Kontrollen und Strafen nur auf einer "Service-Kunden-Orientierung" basierend und differenziert angewandt jenen Effekt haben, der intendiert ist: Die Sicherstellung der Kooperation mit der Gemeinschaft.
Erich Kirchler ist stellvertretender Vorstand des Institutes für Wirtschaftspsychologie, Bildungspsychologie und Evaluation an der Universität Wien.