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"Wer nicht gegen alle Interessen agiert, verliert"

Von Hermann Sileitsch

Europaarchiv

Wie kann Athen den Kurswechsel schaffen? Schweden hat es vorgemacht. | Sparkurs erfordert Konsequenz und völlige Offenheit. | Wien. Für ernsthafte Reformen muss ein Politiker seinen Job aufs Spiel setzen: "Die Wahl 1998 habe ich überlebt, die Wahl 2002 habe ich gewonnen", sagt Göran Persson. Schweden war Anfang der 1990er in eine dramatische Finanzkrise gestürzt - ähnlich der aktuellen Krise: Fünf von sieben Großbanken mussten mit Geldspritzen aufgefangen werden, die Konjunktur brach ein, die Arbeitslosigkeit explodierte - und mit ihr die Staatsverschuldung. 1993 lag Schwedens Budgetdefizit ähnlich hoch wie jenes von Griechenland heute: Knapp unter 12 Prozent. Danach passierte das "schwedische Wunder", wie es Bernhard Felderer, der Chef des Institutes für Höhere Studien, das Persson geladen hatte, nennt: Binnen fünf Jahren wurde das Horrordefizit in einen Überschuss gedreht - und zwar nachhaltig.


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Nötig war dafür ein breiter Schulterschluss mit der Opposition. Steuererhöhungen seien in Schweden traditionell einfach durchzusetzen, zumal für einen Sozialdemokraten, sagt Persson. Die höhere Einkommensbesteuerung (die großteils zurückgezahlt worden sei) habe aber den geringeren Teil ausgemacht. Zu 60 Prozent sei die Sanierung über Ausgabenkürzungen erfolgt: Die Regierungsbudgets wurden durch die Bank radikal zusammengestutzt; Arbeitslosen-, Kranken- und Kindergeld gekürzt. Überdies reformierte Persson das Pensionssystem radikal: "Wer früher in Pension geht, zahlt drauf. Wer ein Jahr länger arbeitet, wird belohnt. Wer zwei Jahre länger arbeitet, wird reich." Da die Pensionen seither von der Wirtschaftslage abhängen, stehen heuer erstmals Kürzungen an: "Der ultimative Belastungstest für eine Regierung", räumt Persson ein.

Vertrauen wiedererlangt

Er habe das Sozialsystem reformiert, weil es ihm am Herzen lag. "Dafür wäre ich von der eigenen Partei fast umgebracht worden", sagt er heute. Entscheidend sei, dass eine sanierungswillige Regierung keine Klientelpolitik betreibe, sondern alle Interessengruppen gleich stark belaste. Nur dadurch und durch bedingungslose Offenheit über die Pläne habe Schweden das Vertrauen der Märkte wiedererlangt - was auch von den Wählern honoriert worden sei.

Darin sieht Persson das große Problem Athens, wo Budgetzahlen jahrelang geschönt wurden: "Manchmal verliert man seine Glaubwürdigkeit über Nacht. Sie wieder aufzubauen dauert sehr lange."