Zum Hauptinhalt springen

Wer nicht sehen will, muss zahlen?

Von Christian Ortner

Kommentare
Christian Ortner.

Warum bitte soll der ORF als einziges Unternehmen Österreichs Geld von Menschen kassieren dürfen, die seine Produkte gar nicht wollen?


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Der Generaldirektor des ORF wünscht sich jetzt also allen Ernstes, dass künftig auch jene Haushalte für den Konsum seiner Programme bezahlen sollen, die entweder technisch nicht dazu imstande (weil ohne TV-Gerät) oder aus Gründen des guten Geschmacks einfach nicht willens sind, die gelegentlich gewöhnungsbedürftigen Hervorbringungen der Sender des Herrn Wrabetz zu konsumieren. Das ist, sehr höflich formuliert, ein recht kühner Gedanke.

Denn für Leistungen eines Unternehmens zu bezahlen, die man nicht in Anspruch nimmt und auch gar nicht in Anspruch nehmen kann, ist in einer Marktwirtschaft bisher eher unüblich gewesen. Deshalb dürfen bekanntlich auch Billa oder Spar, die ja immerhin die Bevölkerung mit Lebensmitteln versorgen, trotzdem keine vom Einkauf im Supermarkt unabhängige "Haushaltsabgabe" kassieren, auch wenn das den dortigen Vorständen gewiss nicht wirklich unangenehm wäre. Nicht einmal die Autobahngesellschaft oder die Energieversorger dürfen bei Menschen, die aus irgendeinem Grund nicht ihre Kunden sind, per "Haushaltsabgabe" abkassieren (obwohl - aber man soll die Regierung nicht auf blöde Ideen bringen).

Warum aber ausgerechnet der ORF das Vorrecht haben soll, Geld für nicht bestellte und nicht konsumierte Leistungen von völlig unbeteiligten Dritten kassieren zu dürfen, hat dessen Generaldirektor bisher nicht wirklich überzeugend erläutern können. Vermutlich deshalb , weil man dergleichen haarsträubendes Unrecht eben nicht überzeugend erklären kann.

De facto würde der ORF, setzte sich Alexander Wrabetz mit seinem kühnen Wunsch durch, natürlich zu einem (neben der Werbung) aus Steuern finanzierten Sender, denn nichts anderes als eine Steuer wäre so eine "Haushaltsabgabe". Der Umweg über die eigens ausgewiesene Abgabe ist nur nötig, um den strengen Geruch zu vermeiden, den die direkte Finanzierung aus dem Budget mit gutem Grund verströmte. Unabhängigkeit von der Politik erreicht man so nämlich eher nicht.

Besonders apart an dieser Wrabetz-Steuer für den ORF ist der Umstand, dass sie ganz besonders unsozial ist: Denn da sie unabhängig vom Einkommen als Fixbetrag eingehoben würde, müsste die karg verdienende Supermarkt-Kassiererin genauso viel bezahlen wie der Hietzinger Villenbesitzer.

Der Einwand, dass Reiche und Arme ja auch gleich viel für eine Kinokarte, einen Liter Milch oder ein Auto zahlen würden, setzte voraus, die Sendungen des ORF als Produkt zu verstehen, das man konsumiert oder eben auch nicht. Indem Wrabetz diese Wahlfreiheit durch Zwang ersetzt, wird die ORF-Gebühr aber eben zur Steuer - und ist daher wie jede andere Steuer auch auf ihre soziale Tauglichkeit zu überprüfen.

Dass jene beiden Regierungsparteien, die dauernd den Begriff der Gerechtigkeit strapazieren, möglicherweise schon bald das unsittliche Ansinnen Wrabetz’ erhören und die ORF-Steuer einführen werden, hat natürlich überhaupt nichts damit zu tun, dass sie sich, noch dazu in einem Wahljahr, die Gunst der Anstalt mit dem Geld anderer Leute erkaufen wollen. Ganz sicher nicht.

ortner@wienerzeitung.at