)
Den Nationalrat und den Bundesrat aus ökonomischen Gründen zu verkleinern, ist Ausdruck einer rein symbolischen Politik, der Inhalte fehlen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Parlamente sind, so wie die politischen Parteien, ein unverzichtbarer Bestandteil der Demokratie. Wo es keine Volksvertretungen gibt, wo die Parteien verboten werden, gibt es auch keine Demokratie. Deshalb muss man mit Argwohn jene beobachten, die in Zeiten wirtschaftlicher Krisen aus reinen Spargründen nach einer Reduzierung der Parlamente rufen. Konsequent zu Ende gedacht, wäre die kostengünstigste Lösung die Abschaffung der Parlamente.
Österreich ist ein Bundesstaat, als solcher entstand er 1918, und der föderalistische Aufbau ist elementarer Bestandteil zu seiner ureigenen Identität. Föderalistische Staaten haben alle ein Zwei-Kammern-System, insgesamt verfügen 35 Prozent aller Staaten Europas (die Kleinststaaten mitgezählt) über eine zweite Kammer. Österreich will nun die Zahl der Nationalratsabgeordneten und der Bundesräte um zehn Prozent senken. Aus ökonomischen Gründen.
Natürlich ist man damit immer noch im europäischen Schnitt. Aber: Keine Überlegung, wie man den Parlamentarismus in Österreich inhaltlich reformieren kann, keine Überlegung, wie viele Abgeordnete man braucht, um eine qualitative Gesetzgebung und Kontrolle der Exekutive zu garantieren. Was hier gemacht wird, ist rein symbolische Politik. Die Einfallslosesten rufen gleich nach Abschaffung des Bundesrates. Das enthebt sie des Nachdenkens über inhaltliche Reformen. Dabei wäre viel wichtiger, die Form der Wahl der Abgeordneten endlich zu reformieren, um die Menschen wieder stärker am politischen Geschehen zu interessieren.
Der Föderalismus in Österreich braucht eine zweite Kammer. Aber warum nicht eine radikale Änderung der Zusammensetzung? Etwa: alle Landeshauptleute, alle Finanzreferenten, alle Landtagspräsidenten und drei Vertreter der Gemeinden und Städte jedes Bundeslands - machte 54 Mitglieder. Diese erhielten keine Bezüge als Bundesräte, dafür aber echte Befugnisse, womit sie insgesamt zu einem starken, aber auch entscheidungsfähigen Gesprächspartner der Zentralstellen würden. Im gleichen Zuge könnten die Konferenzen der Landeshauptleute, der Landesfinanzreferenten und der Landtagspräsidenten aufgelöst werden.
Gebetsmühlenartig wird nun wieder die Frage nach der Notwendigkeit der Landtage kommen. Das Ergebnis wird eine Reduzierung der Zahl der Abgeordneten sein. Weil’s billiger ist. Keine Diskussion über eine Reform ihrer Aufgaben, ihres Selbstverständnisses, ihrer Arbeitsweise.
In Zeiten wirtschaftlicher Krisen wird die Demokratie generell geschwächt. Der wirtschaftliche Druck macht rasche Entscheidungen notwendig, die meistens von einigen wenigen, vorbei an den legitimierten parlamentarischen Institutionen, gefällt werden. Angela Merkel und Nicolas Sarkozy geben die Linie vor, das EU-Parlament und die anderen Mitgliedstaaten dürfen hinterherhüpfen. Die nationalen Parlamente spielen schon gar nicht mehr mit. Wer dann noch mit rein ökonomischen Argumenten die Parlamente verkleinern (oder Teile davon gar abschaffen) will, ohne inhaltliche Reformen durchzuführen, gefährdet unzweifelhaft die Demokratie.