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Wer profitiert von der Reform?

Von Marina Delcheva

Politik

Mehr Netto für Geringverdiener, weniger Abgaben für Betriebe - wem die Vorschläge von ÖVP und SPÖ zugutekommen.


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Wien. Nachdem nun beide Regierungsparteien ihre Steuerreformpapiere auf den Tisch gelegt haben, beginnt am 17. Dezember das Feilschen um den gemeinsamen politischen Nenner. Die Verhandlungsgruppe rund um Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner möchte am 17. März 2015 ein gemeinsames Konzept vorlegen. Mit am Verhandlungstisch sitzen seitens der SPÖ Klubchef Andreas Schieder, Wiens Landeshauptmann Michael Häupl und der Kärntner Landeschef Peter Kaiser. Für die ÖVP verhandeln Finanzminister Hans Jörg Schelling und die Landeshauptleute Josef Pühringer (Oberösterreich) und Markus Wallner (Tirol).

Beide Konzepte sprechen die Kernwähler der einzelnen Parteien an. "Die SPÖ spricht eher die Niedrigverdiener an, die ÖVP jene, die über dem Durchschnitt verdienen", sagt Politologe Peter Filzmaier im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Und hier sei auch der erste Denkfehler beider Parteien: "Die Parteien tun so, als wären sie Hauptkonkurrenten. Aber das eigentliche Problem ist der Wählerschwund", erklärt Filzmaier. Schafft es die SPÖ, in den Verhandlungen eine deutlich spürbare Entlastung für Geringverdiener herauszuholen, könnte sie sich wieder die eine oder andere Stimme von der FPÖ zurückholen. Auf der anderen Seite könnte die ÖVP mit Zugeständnissen an kleinere Unternehmer und Besserverdiener bei Neos- und Grün-Wählern punkten, die in der Regel gut gebildet sind und etwas mehr als der Durchschnitt verdienen.

Die "Wiener Zeitung" hat sich angesehen, wer von den vorgeschlagenen Entlastungen profitiert und auf wessen Kosten diese gehen.

1. Entlastung niedriger Einkommen

Beide Parteien schlagen eine deutliche Einkommensentlastung und einen Eingangssteuersatz von 25 Prozent vor. Nach dem SPÖ-Modell würde ein Arbeiter mit einem monatlichen Bruttogehalt von 1500 Euro jährlich 534 Euro weniger an Lohnsteuer zahlen. Beim ÖVP-Modell wären es 429 Euro weniger.

Entlastet man überdurchschnittlich stark niedrigere Einkommen, profitieren neben Niedrigverdienern vor allem Teilzeitkräfte und Frauen, die öfter als Männer in Teilzeitbeschäftigung sind, erklärt Marcus Scheiblecker vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Von dieser Maßnahme hätten vor allem Alleinerzieherinnen mit Pflegeverpflichtungen etwas, weil ihnen mehr Geld für Konsum übrig bliebe. Durch die Entlastung des Faktors Arbeit könnte auch die Arbeitsbereitschaft steigen. Durch niedrigere Steuern im höheren Einkommenssegment könnten mehr Spitzenkräfte dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen und nicht ins Ausland abwandern, erklärt Scheiblecker. Indirekt würden auch Unternehmen von niedrigeren Lohnsteuern profitieren. Ihnen stünden mehr Arbeitskräfte zur Verfügung und sie könnten weniger Gehalt zahlen, weil durch niedrigere Lohnsteuern mehr übrig bliebe.

Von der Einkommensentlastung erhoffen sich beide Parteien einen ordentlichen Konsumaufschwung. Es ist generell so, dass Niedrigverdiener eher in Konsum investieren, wenn sie mehr Geld zur Verfügung haben. Besserverdiener legen es eher auf die Seite. Konsumeffekte sind allerdings schwer zu prognostizieren. "Es kommt ganz darauf an, wofür ich mein Geld ausgebe", sagt Filzmaier. Es mache einen Unterschied, ob man mit dem Geld eine Auslandsreise macht, das bringt dem Staat nichts, oder ob man hier ein Auto kaufe, was dem Staat wesentlich mehr durch die Mehrwertsteuer bringt. Und: In Zeiten der Krise und schwieriger Arbeitsbedingungen neigen Menschen dazu, ihr Geld auf die Seite zu legen.

2. Entlastung von Unternehmen

Niedrigere Lohnnebenkosten machen den Faktor Arbeit für Betriebe billiger und damit werden sie im internationalen Vergleich wettbewerbsfähiger. Davon hat vor allem die personalintensive, produzierende Industrie etwas. Wenn die Kosten sinken, steigen die Unternehmensgewinne und so wird mehr Geld für Investitionen frei. Diese bringen wiederum neue Arbeitsplätze, kurbeln das Wachstum an und wirken sich positiv auf den Standort aus.

Anderseits müssen Gewinne nicht zwangsläufig reinvestiert werden und könnten von den Eigentümern einfach einbehalten werden, erklärt der Wifo-Experte. Außerdem führen niedrigere Lohnnebenkosten zu niedrigeren Einnahmen für den Staat und somit für Gesundheit, Bildung und Infrastruktur. Und das trifft wiederum indirekt jene, die weniger verdienen und auf staatliche Leistungen stärker angewiesen sind.

3. Vermögens- und Substanzsteuern

"Vermögenssteuern belasten eindeutig Vermögende. Der Staat profitiert aber von höheren Einnahmen", erklärt Scheiblecker. Die SPÖ fordert Schenkungs- und Erbschaftssteuern ab einer Million und eine Millionärsabgabe ab einem Vermögen von über einer Million. Auf den Betrag über der Million werden dann jeweils 25 beziehungsweise 0,5 Prozent verrechnet. Die ÖVP ist dagegen. Das Geld könnte dann nicht nur in die Finanzierung der Steuerentlastung fließen, sondern auch in Bildung oder Gesundheit. Ganz so einfach geht die Rechnung aber nicht auf. Bei einer Millionärsabgabe, wie sie die SPÖ fordert, könnte Vermögen ins Ausland abwandern, warnt Wifo-Budgetexpertin Margit Schratzenstaller im Gespräch mit der APA. Außerdem könnte es bei der Einhebung zu Schwierigkeiten wegen des Bankgeheimnisses kommen. Eine Erbschaftssteuer, diese gibt es derzeit in 19 EU-Ländern, sei hingegen eine Überlegung wert. "Erben ist keine Leistung. Da macht es mehr Sinn, Leistung geringer zu belasten und dafür Erbe zu besteuern", sagt Scheiblecker zur "Wiener Zeitung".

Problematisch könnte aus der Sicht Scheibleckers die Erbschaftssteuer bei Betriebsübernahmen sein. Zwar sollen Betriebserben nach dem SPÖ-Modell zehn Jahre Zeit bekommen die Steuer zu zahlen, doch für kleine Betriebe wäre das eine zusätzliche Belastung. "Unternehmen könnten Probleme bei der Finanzierung bekommen. Außerdem drückt das die Investitionen, weil der Gewinn dadurch kleiner wird", erklärt der Wifo-Experte.

4. Entlastungen für Familien

Beide Parteien versprechen nicht näher definierte Entlastungen für Familien. Die ÖVP rechnet eine Einsparung von mehr als 2000 Euro jährlich vor. Wifo-Expertin Schratzenstaller empfiehlt, "in Zeiten knapper Budgets" auch in den Ausbau von Sachleistungen, etwa Betreuungsplätze, zu investieren, statt in reine Geldleistungen. Die Familienbeihilfe wurde ohnehin vor kurzem angehoben. Im Sinne des Bürokratieabbaus sei es sinnvoll, die Auszahlung von Familienbeihilfe, Kinderabsetzbetrag und Kinderfreibetrag zu bündeln.