Prüfer zwischen Objektivität und Kampf um Aufträge. | Ruf nach effizienterer Kontrolle. | Wien. Nicht erst seit Bawag, Bank-Burgenland und Rieger-Bank wissen wir: Das Prüfungswesen gehört einer Totalreform unterzogen. Auch Finanzminister Karl-Heinz Grasser hatte erklärt, die Bankprüfer der Bawag hätten völlig versagt. Diese Behauptung wird hier nicht weiter kommentiert, da über den Einzelfall auch zu wenig Informationen an die Öffentlichkeit dringen.
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Testat entscheidend
Woran scheitert es bei der Bilanzprüfung von prüfpflichtigen Unternehmen grundsätzlich? Der Jahresabschluss bestehend aus Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung sowie Anhang muss richtig und vollständig im Sinne der Gesetze sein; Die Grundsätze der ordnungsgemäßen Buchführung und Bilanzierung sind einzuhalten und der Jahresabschluss hat ein möglichst getreues (wahrheitskonformes) Bild der Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage der Gesellschaft zu vermitteln. Nicht jeder Bilanzfehler ist ein Grund, den "uneingeschränkten Bestätigungsvermerk" (das so genannte Testat) zu versagen. Der Fehler muss nämlich wesentlich sein. Ein Sprichwort sagt, der Buchhalter der einen Euro sucht und nicht findet, hat verloren; der Prüfer der ebenfalls einen Euro sucht, hat genauso verloren, da dieser nach dem Grundsatz der Wesentlichkeit zu prüfen hat. Die Höhe der Wesentlichkeitsgrenze ("materiality") ist vom Wirtschaftsprüfer aber nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles individuell festzulegen.
Jahresabschlüsse sind vom geprüften Unternehmen zu veröffentlichen. In aller Regel endet die Bilanzprüfung mit einem uneingeschränkten Testat. Wenn aber das Testat vom Wirtschaftsprüfer eingeschränkt wird, erfahren Kunden, Lieferanten, die Arbeitnehmer, die Banken und die interessierte Öffentlichkeit, dass das Unternehmen nicht richtig bilanziert. Die negative Dynamik eines eingeschränkten Testats kann ein Unternehmen in die Insolvenz führen.
Abhängige Prüfer
Solange über die Bilanzansätze zwischen Geschäftsleitung und Prüfer Einigkeit herrscht, ist die Unabhängigkeit und Objektivität des Prüfers nicht gefährdet. Schwierig wird es dann, wenn Meinungsverschiedenheiten auftreten. Der Prüfer muss nämlich auch das Wohlwollen des geprüften Unternehmens im Auge haben. Er möchte den Prüfungsauftrag nach Möglichkeit im nächsten Jahr wieder haben. Der Prüfer dient allerdings nicht primär seinem Klienten, sondern den Gläubigern und den potenziellen Investoren des Unternehmens. Dies zeigt sich vor allem dann, wenn Meinungsverschiedenheiten zwischen Prüfer und Geschäftsleitung auftreten. Das Unternehmen möchte beispielsweise einen Bilanzverlust (unzulässigerweise) über mehrere Jahre verteilen, damit die Bilanzoptik nicht so dramatisch verschlechtert wird. Der Prüfer ist schon allein deshalb gewillt, seinem Mandanten zu helfen, weil er gewohnt ist, Klientenbedürfnisse bestmöglich zu erfüllen. Als Unternehmer muss er allerdings auch am Prüfungshonorar im Folgejahr interessiert sein.
Die Unabhängigkeit des Prüfers ist daher nur gewahrt, wenn es zu der - von den Wirtschaftsprüfern bislang immer abgelehnten - externen Rotation kommt. Nach derzeitiger Rechtslage gibt es nur eine interne Rotation des Prüfungleiters innerhalb des Wirtschaftsprüfungsunternehmens nach einem Ablauf von sechs Jahren.
Neben der verpflichtenden externen Rotation sollte der Prüfauftrag und auch das damit verbundene Honorar von einem unabhängigen Richter vergeben werden. Ähnlich wie jetzt schon der Masseverwalter im Insolvenzverfahren vergibt der Handelsrichter nach sechs Jahren den Prüfauftrag neu an eine Kanzlei, welche die Qualifikationskriterien erfüllt. Bei Banken kommen ohnedies nur spezialisierte Großkanzleien in Frage, welche nach sechs Jahren ihren Prüfauftrag wieder abgeben. Auf diese Weise kommt jeder Prüfer einmal zum Zuge.
Kampf um Aufträge
Nach der derzeitigen Situation gilt marktwirtschaftliche Konkurrenz für einen "öffentlichen" Auftrag und öffentliches Vertrauen. Immer wieder wird von den Prüfern auch gefordert, sie mögen stärker auf Betrugsverdacht prüfen. Wenn man diese Forderung ernstnimmt, brauchen wir neue Regeln für die Bilanzprüfung. Der Wirtschaftsprüfer muss quasi mit behördlichen Zwangsmitteln ("Polizeigewalt") ausgestattet werden, um verdächtige Festplatten, Kontenblätter, Tonbandaufnahmen etc. zu untersuchen und sie erforderlichenfalls zu beschlagnahmen. Nur, welcher Kriminelle sucht sich seinen Polizisten aus und bezahlt ihn auch noch dafür?
Erich Wolf ist Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in Wien.