Zum Hauptinhalt springen

Wer rettet unseren Wohlstand?

Von Heike Lehner

Gastkommentare
Heike Lehner arbeitet als Ökonomin bei der Agenda Austria und ist dort für das Thema Geldpolitik zuständig.
© Agenda Austria

Wenn die Inflation zu hoch ist, muss die EZB eingreifen. Es ist höchste Zeit für sie, ihren Job zu machen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 2 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Zuerst waren es hauptsächlich die steigenden Energiepreise, die die Inflation in die Höhe trieben. Jetzt breitet sich die Teuerung auf allen Ebenen aus. Wurde vor wenigen Monaten noch von einer nur temporär hohen Inflation gesprochen, ist davon mittlerweile nichts mehr zu hören. Das knappe Angebot durch die Lieferkettenprobleme und die Ukraine-Krise trifft auf eine hohe Nachfrage, für die die Erholung nach der Corona-Krise und auch das viele Geld der Europäischen Zentralbank (EZB) während dieser verantwortlich ist. Dazu kommen die Energiepreise. Bisher hat die EZB kaum gehandelt und sich alle Optionen offen gehalten. Das ist fahrlässig, beeinflusst sie doch durch eine straffere Geldpolitik die Wechselkurse und die Nachfrage. Die Zentralbank muss sich jetzt schnell auf ihre Hauptaufgabe besinnen: die Preisstabilität.

Es wird zu wenig gewürdigt, welche historische Errungenschaft eine von den Mitgliedstaaten unabhängige Zentralbank ist. Viel zu oft haben sich Staaten in der Vergangenheit durch die Druckerpresse direkt finanziert, vor allem in Zeiten von Kriegen. Die Folge waren exorbitant hohe Inflationsraten und breiter Wohlstandsverlust. Es ist das Mandat der EZB, solche Katastrophen zu verhindern. Natürlich sind die Fiskalpolitik der Regierungen und die Geldpolitik einer unabhängigen Zentralbank nicht voneinander losgelöst zu betrachten: Was die Politik tut, hat Auswirkungen auf die EZB und umgekehrt. Aber die Aufgabenbereiche sind grundsätzlich getrennt. Leider hat sich die EZB mit dem seit Jahren praktizierten indirekten Kauf von Staatsanleihen in ein Dilemma manövriert. Ohne ihre Hilfe hätten die Mitgliedstaaten mit höheren Zinsen zu kämpfen und könnten sich schwerer verschulden. Entsprechend groß ist der Druck auf die Zentralbank, so weiterzumachen wie bisher.

Doch die EZB rühmt sich noch immer als Institution, die nicht nur auf dem Papier unabhängig ist. Sie muss jetzt auch danach handeln und die Zinsen erhöhen. Auch wenn das zum ungünstigsten Zeitpunkt kommt und die Kosten hoch sein werden. Aber hat die Bevölkerung einmal ihr Vertrauen in das Handeln der Zentralbank verloren, wird es schwierig sein, die Inflation wieder einzufangen. Die Bedeutung der Glaubwürdigkeit kommt in den Debatten über die Geldpolitik der EZB oft zu kurz. Aber sie ist das Fundament eines funktionierenden Währungssystems.

Derzeit möchte wohl niemand in der Haut der Zentralbanker stecken: Jedes Quartal bringt neue, düstere Inflationsprognosen. Zugleich kommt die Wirtschaft durch den Krieg in der Ukraine und die Sanktionen gegen Russland ins Stottern. Doch es ist falsch, weiter nach Argumenten für die Politik des billigen Geldes zu suchen. Jetzt bräuchte es einen kühlen Kopf und die Rückbesinnung auf das Wesentliche: Wenn die Inflation zu hoch ist, muss die EZB eingreifen. Erst wenn die Preise stabil sind, darf sie auch die Wirtschaftspolitik der Eurozone unterstützen. Da die Preise aktuell alles andere als stabil sind, ist ihre Aufgabe klar. Es ist höchste Zeit für die EZB, ihren Job zu machen und klare Signale zu setzen.