So, wie sich US-Geheimdienstler den "Presse"-Chefredakteur vorstellten, hat er nicht getickt. Wozu brauchte Otto Schulmeister für seine eisernen Überzeugungen CIA-Nachhilfe?
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Otto Schulmeister war von meiner Anstellung bei der "Presse" am 1. Dezember 1966 bis 1976, als er Herausgeber wurde, auch mein Chefredakteur. Der CIA-Akt über ihn hat laut "Profil", das am Montag Bruchstücke daraus zitierte, 92 Seiten. Wenn das bisher Veröffentlichte die Highlights sind, dann ist die Suppe zwar problematisch, aber dünn.
In dem Bild, das Geheimdienstler zeichnen, kommt die dominierende und zugleich bis in die lustvolle Schauspielerei ausgreifende Persönlichkeit des ehemaligen "Presse"-Chefredakteurs nicht heraus.
Wenn die amerikanischen Chronisten den Eindruck hatten, sie könnten ihn führen, "gerade so, als wäre er unser Agent", dann übersahen sie, dass Schulmeister vielleicht das Gegenteil erlebte: Er sei es, der mit dem CIA oder der US-Botschaft in Wien Pingpong spiele. Den Versuch hätte ich ihm zugetraut. Immerhin soll er ja 1965 den Amerikanern geraten haben, die "New York Times" auf Linie zu bringen.
Das war Schulmeister pur. So haben wir ihn täglich erlebt, ausgehalten und seine weltanschauliche Motorik mit den Realitäten des Zeitungsmachens zu synchronisieren versucht, sonst wäre die Zeitung nicht pünktlich erschienen.
Schulmeister war in seiner publizistischen Erscheinung eine Galionsfigur des Kalten Krieges. Rund um Österreich die Kommunisten, also die Welt des Bösen, am Pazifik die von der "Dominotheorie" kommunistischer Machtausbreitung bedrohten Völker, jenseits des Atlantiks die amerikanischen Künder der Freiheit. Das hinderte ihn nicht, auch mit dem sowjetischen oder dem rumänischen Botschafter mit "na sdarowje" anzustoßen. Dass das Sowjet-Imperium zu Fall gebracht werden musste, brauchte ihm kein CIA-Agent beizubringen.
Dass Schulmeister in den späteren Jahren, als die USA auf Entspannungskurs gingen, die im CIA-Akt erwähnten Beziehungen austrocknete, musste so kommen. Er ließ die Informanten fallen - nicht sie ihn, das geht klar hervor. Und wenn er Material für Leitartikel verwendete, dann einfach auch deshalb, weil es in sein Weltbild passte.
Der "Herrenabend" von 1962, auf den die CIA-Berichterstatter offenbar stolz waren, ist bei Schulmeisters beruflich-gesellschaftlicher Hyperaktivität, wie ich sie später oft erlebte, vermutlich auch nur ein Termin gewesen. Am Tag des "Herrenabends" war das in seinen Augen eine Riesengeschichte, zwei Tage später lief wahrscheinlich eine neue Riesengeschichte woanders ab.
Schulmeister schleppte Redakteure in wechselnden Kombinationen zu Mittagessen mit Botschaftern aus Ost und West, Nord und Süd, mit Professoren, mit Politikern. Manchmal waren die Gespräche interessant, oft lähmend. Geheimdienstliche Handelsware ist an meinem Gedeck nie angelangt, umso mehr weltpolitische Schwadroniererei von beiden Seiten. Sobald Gelegenheit war, schickte er uns auf Dienstreisen ins Ausland und darunter sehr oft in den Ostblock - "zur Horizonterweiterung".
Dass die "Presse" einen soliden Westkurs steuern sollte, war für ihn so unumstößlich wie ein Wort des Papstes - weshalb die Zeitung auch dessen Pillenverbot kritiklos verteidigte. Dass autoritäre Strukturen oder hässliche Militärregime, wie es sie in Griechenland und Chile gab, an sich verwerflich seien, hat er nie akzeptiert, weil für ihn der "Ordnungsfaktor" an erster Stelle stand.
Für CIA-Agenten, die ihren Einfluss nachzuweisen bemüht waren, könnte Schulmeister ein pflegeleichter Gesprächspartner gewesen sein. Den Verdacht habe ich auch.