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Es gibt viele Gründe für’s Nichtwählen. Der unwahrscheinlichste ist allerdings Zufriedenheit mit den herrschenden Verhältnissen.
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Betroffene Mienen, mahnende Worte und entschlossene Appelle, sich ab sofort - und jetzt aber wirklich - kümmern zu wollen: Wann immer die Sprache auf die sinkende Wahlbeteiligung kommt, erleben die Zuschauer an Wahlabenden seit gut zwei Jahrzehnten das gleiche Betroffenheitsritual der führenden Politiker vor laufenden Kameras.
Den Worten folgen natürlich keine Taten. Wie auch, seit die Parteien mit wachsendem Erfolg an Strategien arbeiten, die wachsende Zahl der Nichtwähler zum eigenen Vorteil zu nutzen. Mobilisierung der eigenen Kernwähler lautet die Devise.
Dass damit die Axt an ein Fundament unserer Demokratie, die politische Repräsentation, gelegt wird - was soll’s. Und notfalls kann ja noch immer behauptet werden, dass Nichtwählen auch eine Form der Zustimmung zu den herrschenden Verhältnissen darstellen kann.
Nun ist es zweifellos unbestritten, dass Nichtwähler zu allererst selbst für ihr (Nicht-)Handeln verantwortlich sind. Allerdings sollte sich ein System, dessen Legitimation darauf beruht, von möglichst vielen und idealerweise von allen zu politischen Entscheidungen berufen zu werden, sehr wohl Gedanken darüber machen, wenn von Wahl zu Wahl der Grad an Beteiligung abnimmt.
Die SPD-nahe Friedrich Ebert Stiftung (www.fes.de) hat sich nun in einer Studie mit dem weithin unbekannten Phänomen der Nichtwähler befasst. Die zentralen Aussagen für Deutschland lauten:
Nichtwähler stammen überproportional aus nicht- beziehungsweise unterprivilegierten Haushalten;
Sinkende Wahlbeteiligungen erhöhen deshalb das Risiko sozialer Ungleichheit, zumal die Parteien selbst immer weniger den Ausgleich sozialer Interessen zu bewerkstelligen imstande sind;
Nichtwähler sind überdurchschnittlich unzufrieden mit den politischen Verhältnissen und von daher sehr wohl politisch interessiert.
Österreich ist allerdings nicht Deutschland.
Zunächst einmal liegt der Anteil der Nichtwähler in Österreich (noch) deutlich niedriger. Und die These, dass überwiegend sozial benachteiligte Milieus den Urnen fernbleiben, hat sich zumindest bei den Nationalratswahlen 2008 nicht bewahrheitet. Damals mussten Grüne und ÖVP den jeweils größten Aderlass (mit laut Sora acht respektive sieben Prozent ihres Stimmenanteils der Wahlen 2006) an die Partei der Nichtwähler erleiden. Beide Parteien werden überwiegend von gut gebildeten, aufstiegsorientierten Milieus gewählt. Wahlboykott kann also prinzipiell alle Parteien betreffen.
Mit steigender Wahlenthaltung steige aber auch in Österreich die Gefahr einer sozialen Verzerrung von Wahlentscheidungen, ist Sora-Meinungsforscher Günther Ogris überzeugt. Dies deshalb, weil der im internationalen Vergleich traditionell hohe Grad politischer Integration auch schlecht (aus-)gebildeter Personen zu bröckeln beginne. Anders als in Deutschland bedeutet dies für die österreichische politische Linke kein Minus im Wähleranteil: Vom sozialen Abstieg bedrohte Milieus wählen in Österreich spätestens seit den 90ern FPÖ. Und aktuell gerade auch Frank Stronach.
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