Ehrenbeleidigung in der Arbeit kann zur Entlassung führen. | Rauer Umgangston wird berücksichtigt. | Wien. Ehrenbeleidigungen am Arbeitsplatz können weitreichende arbeitsrechtliche Konsequenzen haben. Neben möglichen Folgen im Zivil-, Straf- und Verwaltungsrecht kann eine ehrverletzende Äußerung zum vorzeitigen Austritt des grob beleidigten Arbeitnehmers beziehungsweise zur Entlassung des Arbeitnehmers führen, der einen Arbeitgeber oder andere Arbeitnehmer in deren Ehre erheblich verletzt.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Nach der Auffassung des Obersten Gerichtshofes (OGH) ist eine Ehrverletzung dann erheblich beziehungsweise grob, wenn ein mit einem normalen Ehrgefühl behafteter Mensch nicht anders als mit dem Abbruch der Beziehungen reagieren kann.
Unzumutbarer Zustand
Die Äußerung oder Handlung muss objektiv geeignet sein, ehrverletzend zu wirken und im konkreten Fall diese Wirkung gehabt haben, was der Reaktion des Betroffenen zu entnehmen ist. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein Bauarbeiter den ihn beschimpfenden Baupolier mit einem Hammer attackiert. Letztlich muss dem Beleidigten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar sein. Dies hängt stets auch von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab wie etwa von dem Bildungsgrad der Arbeitsvertragsparteien, den bisher üblichen Umgangsformen oder den Gründen der ehrverletzenden Äußerungen.
Klassische Schimpfworte wie "Trottel", "Depp", "Arschloch", "Hurenbock", "Armleuchter" und "Rotzbub", "verstaatlichter Trottel", "Schwein" und "blöde Kuh" stellen im Regelfall eine grobe Ehrenbeleidigung dar. Wird eine Arbeitnehmerin hingegen als "Giraffe" bezeichnet, so wäre das laut OGH allein noch keine grobe Ehrenbeleidigung, weil diesem Tier üblicherweise keine minderwertigen Charaktereigenschaften zugeordnet werden. Im konkreten Fall hat sich jedoch aus den weiteren Äußerungen, dass die Arbeitnehmerin "krank im Kopf" sei und "lauter Falten im Gesicht" bekomme, ergeben, dass von einer groben Ehrenbeleidigung auszugehen ist.
Rassistische Äußerungen wie "Tschusch" oder aus objektiver Sicht grob beleidigende Äußerungen, die nicht in der Muttersprache des Beleidigten erfolgen, sind als Entlassungsgrund zu werten, wenn der Angesprochene sich dadurch beleidigt gefühlt hat.
Auch die Androhung einer Tätlichkeit - zum Beispiel mit den Worten "Wenn du nicht still bist, hau ich dir eine in die Goschn!" - stellt eine erhebliche Ehrenverletzung dar, wenn sie in Gegenwart oder Hörweite Dritter geäußert wird. Äußert sich ein Lehrling gegenüber einem anderen Lehrling mit den Worten "Halt´ die Goschn", so rechtfertigt dies noch nicht eine Entlassung, weil es sich dabei nicht um eine Beleidigung handelt. Mit dieser Aufforderung ist nämlich kein charakterlicher Vorwurf verbunden.
Mittelfinger & Co
Zeigt ein Arbeitnehmer dem Juniorchef in beleidigender Absicht den Mittelfinger, so ist eine Entlassung berechtigt. Nach der Rechtsprechung kann die Ehre auch durch Fußtritte, das Bespucken oder Nachwerfen von Gegenständen grob verletzt werden, wobei es unerheblich ist, ob jemand getroffen wird. Auch sexuelle Belästigungen sind als erhebliche Ehrverletzung anzusehen.
Bei der rechtlichen Wertung einer Äußerung oder eines Verhaltens ist der betriebsübliche Umgangston - insbesondere ein raues Milieu - zu berücksichtigen. Grobe Beschimpfungen wie "Trottel" und "Depp" sind allerdings auch auf Baustellen mit fallweise rauerem Umgangston nicht zu dulden. Eine Anmerkung wie "Alter, mach dir nicht in das Hemd" ist hingegen in einem Betrieb mit lockerem Umgangston kein Entlassungsgrund.
Auch bei ungebührlichen polemischen Bemerkungen droht dem Arbeitnehmer nicht gleich die Entlassung, insbesondere wenn die Beleidigungsabsicht fehlt. Die Bemerkung, dass das Personalauswahlverfahren eine "Farce" und ein "abgekartetes Spiel" sei, ist zwar ungebührlich, aber keine Ehrverletzung.
Falls Beleidigungen, die der Arbeitnehmer zum Anlass eines vorzeitigen Austritts heranziehen will, von Kollegen oder Kunden ausgehen, so muss der Arbeitnehmer zunächst den Arbeitgeber um Schutz ersuchen. Erst wenn feststeht, dass der Arbeitgeber seine Schutzfunktion nicht wahrnimmt, kann der Austritt erklärt werden.
Der Autor ist Mitarbeiter der Sozialpolitischen Abteilung der Wirtschaftskammer Wien. Ein ausführlicher Beitrag zu dem Thema erscheint auch in der "Arbeits- und Sozialrechtskartei" des Linde Verlags.