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Aus Studie für das Bildungsministerium. | "Englischunterricht ist in so einer Schule ein Wahnsinn!" | Wien. Hinter einem Paravent verstecken sich ein paar Tische und eine Schultafel, einzelne Schulbänke fügen sich in Nischen. Auch Blumenstöcke lassen in den Hintergrund treten, dass hier auf dem Gang Stützbeziehungsweise Begleitlehrer ihre Kleinstgruppen unterrichten. Alles wirkt gepflegt, wie eine zweite Heimat. Die Schule wurde gebaut, als es in Wien kaum Migranten gab, dann kamen sie zahllos. Und bei der Adaptierung wurden die Pläne leider nicht geändert. Darum der Unterricht auf dem Gang.
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Ein Junglehrer schmückt und gestaltet mit Kindern die langen Gangwände. Laut Direktorin bereiten die meisten Lehrerinnen in einem Ferienmonat ihre Schultätigkeit vor und erstellen Lernspiele.
Die diesem Artikel zugrunde liegende, für das Bildungsministerium verfasste Fallstudie fußt auf einem Dutzend zeitversetzten Gesprächen - primär zum Lehrerdienstgesetz -, die auf Tonband aufgenommen wurden. Lehrerinnen empfinden geballte Belastungen und fühlen sich allein gelassen - von den Behörden. Aber das Kollegium steht zusammen und versucht, so gut es geht, mit der Situation adäquat umzugehen.
Die Schulleiterin unterrichtete früher im gleichen Stadtteil an einer Ganztagsschule. Für das Mittagessen und die Betreuung war ein Beitrag zu entrichten - dies ist eine finanzielle Hürde für Emigranten. In einer Klasse gab es dort maximal drei, vier Migrantenkinder, Und die Art des Unterrichts war "eine ganz andere" als hier, wo in einer Klasse auf 25 Schülerinnen und Schüler ein einziges österreichischen Kind kommt. "Lehrer anderswo wissen, dass es das gibt, aber wie man arbeiten muss, können sie sich nicht vorstellen."
Ohne Förderung durch die Eltern kommt nichts
In den acht Klassen unterrichten 19 Lehrkräfte (davon 2 männliche) insgesamt 198 Schulkinder, davon sind 185 nichtdeutscher Muttersprache, also 93 Prozent. Je ein Drittel der Kinder (69) sind türkisch und aus Exjugoslawien, polnisch sind fünf Kinder, albanisch elf, und dann gibt es sechs rumänische Kinder, drei indische, drei afghanische, zwei persische, zwei arabische und je ein ungarisches und ukrainisches Kind. Die Ausländerquote im Stadtteil beträgt 60 Prozent. Die Eltern haben teilweise Schichtarbeit. Ohne Förderung durch die Eltern kommt nichts. Es gibt Kindergärten. Nur: "Türkische Kinder kommen nicht hin, weil es was kostet", so die Lehrerin B.
Exjugoslawische Kinder besuchen den Kindergarten und sprechen in der ersten Klasse ein gutes Deutsch. (Lehrerin A). Es gibt acht Klassenlehrerinnen, sechs Begleitlehrerinnen, je eine für Serbokroatisch und Türkisch, einen Stützlehrer, eine Werklehrerin sowie Religionslehrer für serbisch-orthodoxe, für moslemische und römisch-katholische Kinder.
Lehrerin B. ist im 17. Dienstjahr im Bezirk und sieht die sprachlichen Voraussetzungen für den Schulbeginn immer weniger gegeben. "Früher konnten sie den Namen schreiben, ein bisschen rechnen. Jetzt haben sie nicht einmal einen Stift in der Hand gehabt, nehmen ihn in die Faust. Das Kind hat noch nie gemalt."
Und die Leiterin bedauert: "Migrantenkinder haben oft ein Allgemeinwissen von Drei- oder Vierjährigen. Jedes österreichische Kindergartenkind kann oft mehr. Das ist oft zum Verzweifeln!" Sachunterricht greift lebensnahe Themen auf, aber türkische Kinder kennen weder Tiere auf dem Bauernhof noch Obstsorten noch Wiesen und Pflanzen. Sie verlassen kaum ihren Wohnblock. Worte zu Hunden wie Beißkorb und Leine sagen ihnen nichts.
"Wenn auf ein österreichisches Kind neun Migrantenkinder kommen, wer soll da wen wohin integrieren!", sagte indigniert die Volksschullehrerin B. Sie kann das Wort Integration nicht mehr hören! Laut einer Pisa-Studie senkt ein Ausländeranteil von zwanzig Prozent das Klassenniveau erheblich. Sprachliche Frühförderung wäre eine situations-adäquate Antwort.
Englischunterricht in der 1. Klasse "ist in Schulen wie unserer ein Wahnsinn! Ich kann nicht mit Kindern, die keine drei Wörter Deutsch können auch noch gleichzeitig mit Englisch beginnen!"
"Klassenschülerzahl auf maximal 20 reduzieren!"
"Da werden 30 Kinder ohne Deutschkenntnisse in eine Klasse gestopft. Das geht nicht. Zwei haben mit Mühe etwas verstanden. Wir waren zu viert in einer Klasse: Klassenlehrer, Begleitlehrer, ein Muttersprach- und Zusatzlehrer und ein Vorschullehrer. Und wir sind alle vier rotiert. Ein Schüler war unterm Tisch, fünf rennen raus. Es hat nicht funktioniert. Die Klassenschülerzahl ist auf maximal 20 Kinder zu reduzieren! Und das ist schon zu viel. Das ginge noch gerade mit Begleitlehrer." (Lehrerin B). Und Frau A verweist auf den Mehraufwand bei der Korrektur von Deutsch-Schularbeiten. In solchen Klassen braucht sie die drei- bis vierfache Zeit. Bei gelungenen Schulveranstaltungen loben Eltern unsere Nerven, um mit den Kindern zurechtzukommen." (Lehrerin B).
Prof. MMag. Dr. Hans Högl lehrte an Pädagogischen Hochschulen Medien- und Bildungsoziologie und leitet die "Vereinigung für Medienkultur".