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Wer spielt den Retter? Europa drückt sich um Antworten

Von Hermann Sileitsch

Wirtschaft

EZB darf Staaten nicht finanzieren - Hintertürchen öffnet sich über den IWF.


Frankfurt/Wien. Die Europäische Zentralbank hat einmal mehr klargemacht: Sie sieht sich als Kreditgeberin letzter Instanz für die Banken - nicht aber, wie von vielen erwartet und gefordert, als Rettungsanker für Euro-Staaten in Finanznöten.

EZB-Chef Mario Draghi zeigte sich "überrascht" über die Bedeutung, die seinen Aussagen vor dem Europäischen Parlament beigemessen worden war. Dort hatte er kryptisch "weitere Elemente" angekündigt, falls die EU-Staats- und Regierungschefs einen strikten "Fiskalpakt" schließen sollten. Das hatten viele als Andeutung verstanden: Die EZB lasse sich zwar nicht zwingen, werde ihre umstrittenen Staatsanleihenkäufe aber notfalls hochfahren, sofern die Eurostaaten am Gipfel zuvor ihre Hausaufgaben erledigen.

Bei der Pressekonferenz nach der EZB-Ratssitzung in Frankfurt klang das verhaltener: Draghi betonte mehrmals, dass der EZB laut EU-Vertrag die direkte Finanzierung von Staaten verboten sei. Die Zentralbank werde diese Vertragsvorschriften auch ihrem Sinne nach einhalten.

Bisher 207 Milliarden Euro

Was wird die Zentralbank unternehmen, wenn der Euro tatsächlich auf der Kippe steht? Wer sich darauf Antworten erwartet hatte, wurde bitter enttäuscht. Und das sind nicht wenige: Die konservativen Parteien Europas hatten sich bei ihrem Kongress in Marseille vor dem EU-Gipfel für eine stärkere wirtschafts- und finanzpolitische Integration ausgesprochen - was der EZB helfen werde, im "Einklang mit ihrem Mandat unabhängige Entscheidungen" zu treffen. Das deutet einen unausgesprochenen Deal an: Die Eurostaaten verpflichten sich zu strengen Budgetregeln - im Gegenzug bringt die EZB ihre potenziell unbegrenzte finanzielle Feuerkraft ins Spiel, um hoch verschuldeten Staaten zu helfen.

Selbst wenn es diese Art von Deal geben sollte - die Währungshüter dürften es nicht zugeben. Bisher kauft die EZB Staatsanleihen nur aus zweiter Hand - ein funktionierender Anleihenmarkt sei wichtig, damit die geldpolitischen Maßnahmen greifen. Mit dieser technischen Argumentation lässt sich das umstrittene Ankaufprogramm in Einklang mit den EZB-Statuten rechtfertigen. Der Begleiteffekt: Die Zinsen für neue Kredite der hoch verschuldeten Euro-Problemländer sinken. Bisher hat die EZB seit Mai 2010 so 207 Milliarden Euro an Staatsanleihen gekauft. Um den Druck der Finanzmärkte auf Länder wie Italien oder Spanien auf Dauer zu lindern, müssten die Währungshüter aber viel mehr kaufen. Das könnte längerfristig die Inflation befeuern, lautet die Sorge primär deutscher Experten und Politiker.

Die EZB hat deshalb bisher die Linie verfolgt, das Geld für die Anleihenkäufe dem Finanzkreislauf an anderer Stelle zu entziehen - ein eher symbolischer Akt, solange den Banken unbegrenzte Kredite zugeteilt werden. Draghi dementierte, dass die Zentralbank zuletzt Schwierigkeiten gehabt habe, ihre Käufe zu "sterilisieren", also zu neutralisieren.

IWF als Umgehungsvehikel?

Für den EU-Gipfel seien drei Säulen entscheidend, gab Draghi den Regierungschefs mit auf den Weg: Die Politik der Nationalstaaten müsse sich in Richtung Konsolidierung, Wachstum und Schaffung von Arbeitsplätzen bewegen. Auf EU-Ebene müsse die Einhaltung der Budgets nicht erst im Nachhinein kontrolliert, sondern im Vorfeld mit strikten Regeln gewährleistet werden. Und drittens brauche es einen Stabilisierungsmechanismus. Diesem Punkt werde aber zu viel Aufmerksamkeit zuteil, monierte Draghi: Um Vertrauen zu schaffen, seien die ersten Punkte wichtiger. Dabei brauche es aber nicht nur glaubwürdige Gesetzesprozesse, auch das Tempo sei entscheidend. Es müsse "rasch etwas in Kraft treten".

Zuletzt hatte es Spekulationen gegeben, der Internationale Währungsfonds (IWF) könnte zum Vehikel werden, um Zentralbankgeld zu hilfsbedürftigen Euroländern zu transferieren: Bilaterale Kredite von Euro-Notenbanken könnten den Fonds dafür um 150 Milliarden Euro aufmunitionieren.

Die deutsche Bundesbank, sonst bei Transfers eher skeptisch, wertet das grundsätzlich positiv. "Allerdings muss man genau die Details anschauen", hieß es im Umfeld von Bundesbank-Präsident Jens Weidmann zu Reuters. "Das Geld müsste über das allgemeine IWF-Konto laufen, ein Sonderkonto für die Euro-Länder wäre verbotene Staatsfinanzierung, die wir so nicht mitmachen könnten."

Darüber hinaus müsse gesichert sein, dass beteiligte Notenbanken nicht unter Druck gesetzt werden, bilaterale Kredite an den IWF zu geben - und Zentralbanken von Nicht-Euroländern beteiligt sind. Die Rede war von weiteren 50 Milliarden. Die dänische Zentralbank werde 5,4 Milliarden Euro beisteuern, sagte Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt noch am Donnerstag. Vor wenigen Tagen war sogar über einen Beitrag der US-Notenbank Fed spekuliert worden.