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Wer spielt noch mit Puppen?

Von Sophie Makris und Jutta Hartlieb

Wissen

Mit sechs Jahren schminken sie sich, mit acht stehen sie auf Tätowierungen und eifern Popsängerinnen nach: Kleine Mädchen sind immer frühreifer und stellen Spielzeughersteller vor ständig neue Herausforderungen. "Noch vor zehn Jahren freuten sich Sechsjährige über Puppenküchen oder Kaufmannsläden, heute interessiert so etwas in dieser Altersgruppe kaum noch", berichtet Dany Breuil, Ex-Chefin und heutige Aufsichtsratsvorsitzende von Smoby, dem führenden Spielzeugfabrikanten in Frankreich.


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Der Trend schlägt sich auch in den Statistiken des 1924 gegründeten Familienbetriebs mit Sitz in Lavans-les-Saint-Claude im französischen Jura nieder, erläutert Breuil. In den vergangenen fünf Jahren hätten sich zehn Prozent des Jahresumsatzes auf die Gruppe der Zwei- bis Vierjährigen verlagert, was vor allem auf das geänderte Spielverhalten der kleinen Mädchen zurückzuführen sei. So habe sich der Verkauf von herkömmlichen Puppen für Mädchen zwischen zwei und vier Jahren seit 2000 verdoppelt. Gleichzeitig sei der Anteil der über Sechsjährigen, die noch mit Puppen, Puppenwagen oder -küchen spielen, drastisch geschrumpft.

Für die Mädchen im Vor-Teenageralter müssten sich Hersteller heute schon etwas anderes einfallen lassen, bestätigt Daniela Brizeno-Schiesser, die bei der Intelect-Marktforschung GmbH in Nürnberg für Trends auf dem Spielzeugmarkt zuständig ist. "Gefragt ist alles, was mit Mode und Kosmetik zu tun hat."

Im Rennen seien bei unter Zehnjährigen beispielsweise Puppen zum Schminken, Fingernägel-Studios, Schminktische oder Sets, mit denen die Mädchen selbst Modeschmuck, Parfum oder Lip-Gloss herstellen können. Die legendäre Barbie-Puppe sei zwar nach wie vor ein Renner - doch bei immer kleineren Mädchen.

Den Trend erklärt sich Brizeno-Schiesser mit dem erweiterten "Markenumfeld" der Kinder. Dank eines riesigen Fernsehangebots und des Internet orientierten sich heute schon kleine Mädchen am Vorbild jugendlicher oder erwachsener Frauen, etwa an Stars und Sternchen im Show-Business.

Dies stellen auch die Marketingexperten von Smoby fest. "Die einschlägigen Hefte für kleine Mädchen mit ihren Kosmetik-Tipps und die Kindermode zeigen, dass heute schon Achtjährige ihre Weiblichkeit hervorheben", erläutert der Leiter der internen Marktforschungsabteilung, Christian Taillard.

Vor zwei Jahren wurde aus diesem Grund eine neue Produktpalette geschaffen, die unter dem vielversprechenden Namen "Beauty Party" Frisierkommoden, Schmuck-Bastelkästen, Kosmetikkoffer und ähnliches anbietet. Für Weihnachten setzt Smoby auf "Star Party": Ein Kassettenrecorder mit Mikrofon in Rosarot und Pistaziengrün, mit dem kleine Mädchen zu gespeicherten Klängen bekannte Schlager singen und sich als Star auf der Bühne fühlen können.

Und wie sehen die Trends bei den Buben aus? Die Antwort der Experten ist klar: Abgesehen von Video-Spielen, die in den vergangenen Jahren an Terrain gewonnen hätten, habe sich an deren Spielverhalten wenig geändert, betont Brizeno-Schiesser. Nach wie vor konzentriere sich das Interesse auf Waffen, Autos und Werkzeug. "Die soziale Entwicklung wird eben von den Mädchen vorangetrieben", glaubt Christian Taillar.