Die Privatsphäre der Bürger ist vielfach bedroht. | Verein Arge Daten deckt Daten-Skandal in Justiz auf. | Zegers Privatfirma profitiert von Zertifikaten.
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Hans G. Zeger, 56, ist eine Art Schutzpatron aller Österreicher. Als Obmann des Vereins Arge Daten sieht er seit gut zwei Jahrzehnten seine Mission darin, für den Schutz der Privatsphäre und gegen Datenmissbrauch aller Art anzukämpfen: "Ich will nicht Daten schützen, sondern die Bürger." Dabei pflegt er ungefähr ähnlich unerbittlich vorzugehen wie etwa die heimischen Konsumentenschützer und genauso hartnäckig wie die Finanzbehörde.
Für datenschützerische Erregung findet er speziell in jüngerer Zeit jede Menge Anlässe: Die Hackerattacken der Internet-Aktivisten Anonymous, die beispielsweise Webseiten politischer Parteien manipuliert oder im Fall der ORF-Tochter Gebühren Info Service (GIS) fast 100.000 Kontodaten geraubt haben, zählten ebenso dazu wie das ab April 2012 drohende Gesetz über die sogenannte Vorratsdatenspeicherung. Alle Provider von Telefon- und Internetdiensten werden dann verpflichtet sein, die Kommunikationsdaten ihrer Kunden sechs Monate lang zu speichern und im Fall eines Verdachts der Kriminalpolizei zur Verfügung zu stellen.
Zeger befürchtet auch vom seit Jahren geplanten Projekt Elga (Elektronische Gesundheitsakte) Schlimmes und hält es für ein "flächendeckendes Gesundheitsüberwachungssystem". Der vorliegende Gesetzesentwurf wurde, weil "mit zahllosen Mängeln behaftet", von der Arge Daten im Begutachtungsverfahren auf 19 Seiten nach Strich und Faden zerpflückt. Das laut Zeger "monströse IT-Projekt" sei, hieß es darin, "eine Spielwiese überwachungssüchtiger Politiker, Beamter und Controller".
Die Arge Daten hat heuer bereits in rund 40 Presseaussendungen heiße Themen angepackt, und über Zegers Initiativen wurde in den Medien rund 150 Mal berichtet. Gemeinsam mit fünf Arge-Mitarbeitern kämpft er gleichzeitig an mehreren Fronten: "Man erledigt eine Baustelle - und es beginnt die nächste."
Zeger befasst sich unter anderem laufend mit den Risiken bei Einziehungsermächtigungen, Verstößen gegen die datenschutzrechtliche Informationspflicht, Datenschutzverletzungen bei polizeilichen Ermittlungen, der Weitergabe psychiatrischer Diagnosedaten durch die Pensionsversicherung, der Radarüberwachung in Gemeinden, mit potenziellen Problemen bei der Nutzung von Smartphones und, und, und - alles in allem eine wahre "Sisyphusarbeit" (Zeger).
Scharfe Sprüche,
viele Klagen
Die Social Media, allen voran Facebook, sind für gefährlichen Datenmissbrauch geradezu prädestiniert. Auch die Google-Initiative "Street View" hat hier zu Lande viel Staub aufgewirbelt: Im Auftrag des Suchmaschinen-Giganten fuhren speziell ausgestattete Autos mit mehreren in 2,9 Metern Höhe befestigten Kameras durch Österreichs Straßen, um Panoramafotos zu erstellen. Die Arge Daten ist daraufhin widerspenstig geworden - und hat einen Teilerfolg geschafft. Zeger: "Wir haben das zwar nicht verhindert, aber es wurde eingestellt, weil Google offenbar das Interesse verloren hat."
Zegers bislang größter Erfolg reicht ins Jahr 2004 zurück, ohne dass es damals eine Reaktion gegeben hätte. 2007 ließ er dann aber die Bombe platzen: Er machte auf die zuständigen Behörden - Justizministerium, Datenschutzkommission und Staatsanwaltschaft Druck wegen offenbar rechtswidriger Datenübermittlungen im Justizbereich. Josef Hirnschall, Betreiber der Wiener Wirtschaftsauskunftei Kreditinform, soll jahrelang Justizmitarbeiter dafür bezahlt haben, ihm unrechtmäßig beschaffte Informationen aus dem Exekutionsregister, also Betreibungs- und Pfändungsdaten, zu übermitteln. Es kam zu mehr als 20 Klagen, gegen mehrere Beteiligte wurden Strafverfahren eingeleitet, die verantwortlichen Justizmitarbeiter schließlich suspendiert, die Kreditinform verschwand in der Versenkung.
Der Daten-Skandal ist allerdings noch nicht vollends bereinigt: Die Korruptionsstaatsanwalt untersucht immer noch, wie rund zwei Millionen Datensätze verschwunden beziehungsweise ob diese noch immer in Umlauf sind. Die Österreich-Tochter der Schweizer Firma Deltavista, die von der Kreditinform Daten geliefert bekommen haben soll, liegt mit den Datenschützern seit langem im Clinch. Für sie ist Zeger ebenso ein rotes Tuch wie für die meisten der mehr als 100 Wirtschaftsauskunfteien in Österreich. Während Johannes Nejedlik, Boss des Marktführers KSV1870, der in der Causa Datenschutz auch immer wieder in der Auslage steht, mit Zeger "ein konstruktives Arbeitsverhältnis" pflegt, ist dieser für viele ein klassisches Feindbild.
Die Kontrahenten stört unter anderem "seine teilweise untergriffige Wortwahl" - wenn Zeger etwa davon spricht, dass Österreich nicht bloß ein "Überwachungsstaat", sondern am besten Weg zum "Präventivstaat" oder "Paranoiastaat" sei. Kürzlich verklagte ihn die Statistik Austria wegen Kreditschädigung, weil der Arge-Obmann die laufende Volkszählung "Generalinventur" bezeichnete, die "es "zuletzt unter dem Nationalsozialismus" gegeben hätte.
Datenschützer im
Glashaus
Der Verein, der parteipolitisch unabhängig ist, lediglich gemeinnützige Zwecke verfolgt und keine Gewinne erzielen möchte, versteht sich als "Anwalt der Persönlichkeitsrechte" und möchte "laufend Denkanstöße in vielen Bereichen der Informationstechnik" setzen. Er lebt von fördernden Unternehmen, Sponsoren, Spenden und Mitgliedsbeiträgen. Die nahezu tausend Mitglieder zahlen zwischen 40 Euro (Private) und 700 Euro (Großunternehmen).
Überdies veranstaltet die Arge Daten laufend kostenpflichtige Seminare, um beispielsweise zum Pauschalpreis von 1960 Euro betriebliche Datenschutzbeauftragte auszubilden. Nicht zuletzt treten die Arge-Proponenten gerne und gar nicht so selten bei diversen Veranstaltungen, Workshops oder Podiumsdiskussionen auf.
Für ihren Einsatz als Referenten sind fixe Honorarsätze vorgesehen: für eineinhalbstündige In-House-Schulungen etwa 800 Euro exklusive Umsatzsteuer, für ganztägige Events 2100 Euro. Individuelle Studien beziehungsweise Konsultationen kosten pro Stunde 150 Euro netto. Diese Tarifsätze entschärfen einigermaßen den Umstand, dass Zeger und seine Vorstandskollegen im Prinzip ehrenamtlich tätig sind.
Im Brotberuf ist Zeger, der rund zehn Stunden pro Woche seinem "Ehrenamt" widmet, als geschäftsführender Gesellschafter der e-commerce monitoring GmbH tätig, die zur Gänze seiner HGZ Stiftung gehört. Die Fünf-Mann-Firma beschäftigt sich beispielsweise mit der digitalen Signatur, ist auf Unternehmenskommunikation im Web 2.0 spezialisiert, steht E-Commerce-Anbietern bei der Umsetzung optimaler Lösungen bei und kümmert sich weiters - wie schon ihr Name verrät - um Monitoring.
Gute Geschäfte mit E-Rechnungen
Der rot-weiß-rote Datenschutz-Papst - eine Bezeichnung, die Zeger gar nicht gerne hört - gilt selbst bei jenen, die nicht gerade seine Fans sind, als "vifer Geschäftsmann", der sich "mit seiner intensiven, zähen Art einen Namen machen konnte". Seine Dienstleistungen, darunter etwa die unterschiedlichen Zertifizierungsprodukte "A-Cert", werden von zahlreichen Kunden in Anspruch genommen.
Auf der rund 90 Namen umfassenden Referenzliste finden sich neben dem Außenministerium, Bildungseinrichtungen wie den Wiener Volkshochschulen, mehreren Energieanbietern sowie Handels- und Industriefirmen vor allem IT-, Telekommunikations- und Internet-Unternehmen. Ihnen hat seine Firma den Weg zur elektronischen Rechnungslegung, sicherem Mailverkehr oder der sogenannten Inhouse-Signaturlösung vorgezeichnet.
Laut Hans G. Zeger ist die Arge Daten-Erfindung "A-Cert", als deren technischer Betreiber die e-commerce monitoring fungiert, die Nummer eins im E-Billing-Bereich. Manche Kritiker halten es für inkompatibel, dass der Datenschützer an der Zertifizierung verdient.
Zeger, der obendrein im Datenschutzrat als Vertreter der Grünen Alternative die Bundesregierung berät, bleibt gelassen: "Es ist mir bewusst, dass ich im Glashaus sitze, aber ich bin da sehr vorsichtig und rühre manche Dinge nicht an, zum Beispiel könnte Google nicht unser Kunde sein."
Zur Person:
Hans G. Zeger, 1955 in Wien geboren, hat sich an der HTL mit Nachrichtentechnik befasst und sodann Philosophie, Mathematik und Sozialwissenschaften studiert. 1981 war er Magister in Mathematik, ein Jahr später Doktor in Philosophie. Anschließend werkte er als Mathematik-Lehrer an einer AHS sowie in diversen IT-Jobs, darunter für das Bundesrechenamt.<br style="font-style: italic;" /> Seit 1990 fungiert Zeger als Obmann der Arge Daten, nebenbei ist er als Lektor an verschiedenen Unis tätig. In der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre war der Wiener Geschäftsführer eines mittlerweile nicht mehr existenten Internet-Service-Providers, 2002 machte er sich mit der e-commerce monitoring GmbH selbständig.<br style="font-style: italic;" /> Zeger, der seit 1996 Mitglied des Datenschutzrates ist, hat zum Thema Informationsgesellschaft, Internet & Privatsphäre einiges publiziert, beispielsweise das 2008 erschienene Buch "Mensch.Nummer. Datensatz – Unsere Lust an totaler Kontrolle".<br style="font-style: italic;" /> Der Datenschützer, der sich unter anderem auf spieltheoretische, finanz- und wirtschaftsmathematische Analysen spezialisiert hat, pflegt ein berufsbedingtes Hobby: Weltverschwörungstheorien aller Art, zum Beispiel die These, dass eine Russenmafia Österreich unterwandern könnte.