Frank Stronach schlägt in Niederösterreich seine erste Wahl - die Sympathie ist da, die Skepsis auch.
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Wieselburg. Eines hat Frank Stronach schon jetzt geschafft: Er hat eine Welt geschaffen, wo das Du-Wort so selbstverständlich ist wie bei Ikea: "Franks Welt."
So heißt auch das neuste Buch des kanadischen Milliardärs, das er nach seinen Wahlkampfauftritten signiert. "Wie heißt’?", schaut er zu einem älteren Herren auf und schreibt ihm dann eine persönliche Widmung mit Vornamen rein. Respektlos ist das nicht, der Mann ist deutlich jünger. Vor den Signierstunden gibt es den obligatorischen Film, dann eine Stunde Stronach über Stronach und danach die Fragerunde - "Fragt’s nur, mit mir könnt’s normal reden." Die meisten sprechen ihn dabei schon mit "Du" an.
Der Haider-Faktor
Bei seinem vorletzten Auftritt zur Landtagswahl am Sonntag macht Stronach Station in Petzenkirchen bei Wieselburg, in der Erlebnisbäckerei "Haubiversum". Das Hinterzimmer ist bis auf den letzten Platz mit Leuten aus der Wirtschaft gefüllt. Später wird Stronach auch beim "Bärenwirt" ums Eck einen brechend vollen Saal vorfinden. Das Interesse an der Stronach-Show ist groß. Aber kommen die Leute nur Stronach-schau’n? Oder werden sie den politischen Newcomer am 3. März auch wählen? Wird Stronach als gealteter Selfmade-Milliardär in die Geschichte eingehen, der nach seinem Ausscheiden aus dem eigenen Konzern nicht den Ruhestand, sondern den Lärm der Politik suchte? Der als gelernter Werkzeugmacher bis zum letzten Atemzug an Schrauben und Rädchen drehen musste, weil der Stillstand in seiner Welt der Autos und Motoren einem Getriebeschaden gleicht? Oder wird er wirklich "das System" verändern, wie es einst schon Jörg Haider versprach?
Jörg Haider. Auf der Suche nach Stronachs Wählern ist der Name des verstorbenen Kärntner Landeshauptmannes ein wichtiger Meilenstein. "Klar wähle ich Stronach, so wie ich damals den Haider gewählt habe. Aber den haben sie mir ja weggeräumt", sagt ein älterer Herr mit Strickpulli und Oberlippenbart, der gerade mit dem signierten Buch in der Hand das Hinterzimmer verlässt. Der Herr zählt auf, wo überall "nix weitergeht" im Land, schimpft über den Chef der Beamtengewerkschaft Fritz Neugebauer, der die Schulreform blockiere, und erwartet sich von Stronach, dass er da ordentlich "reinfahrt". "Wie der Jörgl", werden später beim Bärenwirt mehrere ältere Gäste die Frank-Show kommentieren.
Haider war 36, als er seinen kometenhaften Aufstieg begann, Stronach startet mit 80; Haider fischte erfolgreich im braunen Sumpf, Stronach versichert glaubhaft: "Ich bin weder linksextrem noch rechtsextrem"; Stronach hatte Amerika und den Weltmarkt im Blick, weil er dort Produkte verkaufen wollte, Haider wetterte gegen die "Ostküste". Woher kommen also diese spontanen Assoziationen zwischen Würstel Bier und "Steirerman"-Polka?
Es sind Stronachs Sprüche, die jene um 25 Jahre zurückversetzen, die immer schon "dagegen" waren. "Wir haben 21 Sozialversicherungen, mit 21 Präsidenten, 21 Aufsichtsräten und alle haben einen Fahrer. Wir brauchen nur eine!" – Frenetischer Applaus. "Politiker müssen nach zehn Jahren wieder in die Wirtschaft zurück – und mit den Gesetzen leben, die sie gemacht haben." - Gelächter, Applaus. "Die Raiffeisen bestimmt, wer in der Regierung sitzt!" Und dann der Spruch, der an diesem Abend am besten ankommt: "Ich bin Österreicher!"
Der Unsicherheits-Faktor
"Naja?", sagt ein Kfz-Angestellter nach einer Stunde Frank-Show, "beeindruckend ist das schon". Viele schauen beeindruckt, wann war beim Bärenwirt zuletzt ein US-Präsident (Bill Clinton) zu sehen, der einem Österreicher eine Video-Grußbotschaft ausrichten lässt. Aber wählen? "Es ist ja richtig, was er sagt. Aber ob er die Leut’ hat, die das umsetzen?", sagt einer. So groß auch die Sympathie und Bewunderung – die Skepsis, wie das ganze nach dem Wahltag aussieht, überzieht die Gesichter, wenn die Strahlkraft von der Bühne einmal kurz nachlässt.
Der Pröll-Faktor
Einer hat die Leut’: Erwin Pröll, der Landeshauptmann mit der absoluten Mehrheit. Den greift Stronach frontal an. Die Tiraden über den "Verhinderer" und "Schmähtadler" kommen hier an bei denen, die im System Pröll nicht auf die Butterseite gefallen sind und jetzt den Absprung überlegen. "Manche sind schon längst zur FPÖ gewechselt, die bleiben dort. Aber die, die jetzt enttäuscht sind, gehen zum Stronach", glaubt der Angestellte, der Pröll noch heute nachträgt, dass ihm "die Schwarzen" einen Grund ewig nicht umgewidmet haben, als er noch Landwirt war.
Der Alters-Faktor
Er ist Mitte 40 und einer der Jüngeren im Saal. Pensionisten dominieren. Man darf auf Wählerstromanalysen gespannt sein: Aber schon dieser Ausschnitt lässt erahnen, dass Stronach ältere Herzen eher zufliegen.
Schwenk in die Kantine des Haubiversums zu einer Gruppe Schülerinnen. "Wollen Sie meine ehrliche Meinung? Der macht sich doch zum Affen. Warum kommt der ausgerechnet zu uns, wenn er Politik machen will? Der soll in Amerika bleiben." Zehn Mädels und alle schauen oder nicken zustimmend. Nicht nur diese Nachwuchswähler nehmen den älteren Herrn mit seinen Werten: "Transparenz, Fairness, Wahrheit", die er wie ein Mantra wiederholt, "nicht ganz ernst".
Sie haben ihr gesamtes Leben noch vor sich. Warum sollen sie ihre Zukunft einem 80-Jährigen anvertrauen, der zu 90 Prozent über seine Vergangenheit spricht. Obwohl: Fit wirkt er ja noch, wie er im Haubiversum Semmeln rollt und die fast einstündige Rede vom Vormittag ident wiederholt. Sogar Pausen, die starke Sager einleiten, wiederholt er so exakt, als würde im Hintergrund eine Regieanweisung oder einen Teleprompter laufen.
Der Schmäh-Faktor
Fad wird es nur selten, denn um einen Schmäh ist er selten verlegen, der Frank. Jede Etappe seines Lebens vom Tellerwäscher zum "Magna-Man", wie ein weiteres Buch heißt, unterlegt er mit spaßigen Anekdoten, in denen auch die "Mädln" eine Rolle spielen. Dieser locker-lässige Umgang mit schwerfälligen politischen Strukturen, das Charisma des Machers, der es mit allen und jedem aufnimmt - da ist sie wieder, der Haider-Faktor.
Schöne Frauen tummeln sich in "Franks Welt" auch heute. Durch den Tag führt als Moderatorin die Ex-Miss-World Ulla Weigerstorfer, junge Mädchen in weißen Blusen, schwarzen Röcken und roten Schals – den Farben des Team Stronach – flankieren den Parteigründer schon den ganzen Tag über.
Ein junger Gitarrenmusiker, der mit entrückten Augen über die neue "Bewegung" schwärmt und für Frank "Hand in Hand" komponiert hat, schlägt den ersten Akkord seines Liedes an. Plötzlich ziehen die Mädchen hinten im Saal ein, schwenken rot-weiß-rote Fahnen und sammeln sich bei der Bühne um den gar nicht so erschöpften Redner.
Nach kurzem Zögern greifen die ersten älteren Herren zu den Fähnchen am Tisch und schwenken mit ein. Ob sie auch in der Wahlzelle umschwenken?
Mehr über die kommenden Landtagswahlen: http://www.wienerzeitung.at/wahlen/