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"Wer will schon gerne etwas hergeben?"

Von Christine Zeiner und Rosa Eder

Wirtschaft

"Wer will schon gerne etwas hergeben?" Ein Bahnreisender aus Langenzersdorf, der seit 36 Jahren täglich mit der Schnellbahn nach Wien hereinpendelt, bringt es auf den Punkt. Die Eisenbahner kämpfen um ihre Privilegien, und wenn's sein muss, auch mit einem Überstundenboykott. Dieser startete gestern plangemäß, blieb aber vorläufig noch ohne Auswirkungen auf die Fahrgäste.


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"Mir ist heute nichts aufgefallen. Ich habe aber immer wieder im Radio davon gehört", sagt der Fahrgast aus Niederösterreich. Er pendelt seit 36 Jahren täglich mit der S-Bahn von Langenzersdorf nach Wien und retour und hat kein Verständnis für die geplanten Protestmaßnahmen der ÖBB-ler. "Man kann doch die Kundschaft nicht verärgern", erbost er sich. Schon jetzt gibt es "viele kleine Dinge", die ihn an der Bahn stören, etwa dass die Anzeigetafeln falsche Infornationen liefern oder Durchsagen nicht immer stimmen.

"Ich kenne die genauen Forderungen der Gewerkschaft nicht", meint ein anderer Fahrgast. "Aber in gewissem Rahmen kann ich den Überstundenboykott akzeptieren. In manchen Bereichen - wie etwa beim Verschub - haben die ÖBB-Privilegien ihre Richtigkeit, nicht aber bei einem, der im Büro arbeitet und mit 45 in Pension geht." Es sollte ein Streikplan aufgestellt werden. Teilweise Verständnis für die Protestaktionen hat ein Wiener Beamter: "Uns haben sie auch schon viel weggenommen", zeigt er sich solidarisch. Die Eisenbahner würden aber nicht darum herum kommen, "ein bisschen etwas" von ihren Sonderrechten herzugeben.

Wie lange die Reisenden noch von verspäteten Zügen durch den Überstundenboykott verschont bleiben werden, hängt vor allem von den Lokführern und Zugbegleitern ab. Die Gewerkschaft der Eisenbahner (GdE) wirbt unter ihnen seit Ende August dafür, dass diese den Gewerkschafts-Kurs unterstützen und mit Protestbeginn "Dienst nach Vorschrift" fahren. "Die von der Regierung geplanten Einschnitte beim Dienstrecht gehen an die Substanz", begründet GdE-Sprecher Walter Kratzer, warum er mit einer regen Beteiligung rechnet. Bis zum Monatsende müssen sich die Passagiere darüber laut ÖBB keine Sorgen machen. Erst dann ist die Normalarbeitszeit der Eisenbahner geleistet und Überstunden für Lokführer und Zugbegleiter stehen an.

"Die geplante ÖBB-Reform bewegt sich rechtlich auf äußerst dünnem Eis und wird in weiten Teilen des geplanten Dienstrechts vor dem Verfassungsgerichtshof keinen Bestand haben", erklärte SPÖ-Verkehrssprecher Kurt Eder und verweist auf die Kritik des Bahn-Vorstandes, der Ende vergangener Woche die Reform als in Teilen so nicht umsetzbar bezeichnet hatte. Die SPÖ werde jedenfalls vor dem Verfassungsgerichtshof Klage einreichen, "wenn die Regierung nicht noch zur Vernunft kommt".

Verwirrung herrschte rund um die Einsparungsziele bei der derzeit in parlamentarischer Begutachtung befindlichen ÖBB-Reform. Während Finanzminister Karl-Heinz Grasser vergangenen Donnerstag davon gesprochen hatte, dass der "Ergebnisverbesserungsbeitrag" von 1 Mrd. Euro durch eine "Effizienzsteigerung" von 700 Mill. Euro und einer "Umsatzsteigerung" von 300 Mill. Euro erreicht werde, sprach Verkehrs-Staatssekretär Helmut Kukacka gestern vor Journalisten von einer Kostenersparnis ausschließlich durch Restrukturierungsmaßnahmen. Wenige Stunden später stellte Kukacka allerdings klar, dass die von Grasser dargestellten Umsatzsteigerungen von 300 Mill. Euro bis 2010 "nicht aus einer Erhöhung der Preise für Personen und Güterverkehr resultiert". Woher der Mehrumsatz kommen soll, gab Kukacka nicht bekannt.

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