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Wer wird die nächste Miss Hitler?

Von Edwin Baumgartner

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"Vergesst nicht! Adolf ist sein Name, er ist unsere ewige Rasse, ihm ist ewiges Leben geschenkt", schwärmt die Ukrainerin Irina Nagrebetskaya. Auch die Russin Ekaterina Matveeva glüht für ihren Heros: "Adolf Hitler steht für Genie und die Wahrheit, dass Rassen sich nicht nur durch das Aussehen, sondern auch durch die Intelligenz unterscheiden."

Ja, Hitler verbindet Russen und Ukrainer über alle separatistischen Konflikte hinweg. Dass die selbstverständlich blonden Schönheiten der Ukraine überproportional stark vertreten sind, will man, trotz zunehmenden Hakenkreuz-Zeigens westukrainischer Nationalisten, nicht als symptomatisch nehmen.

Die Seite, auf der zur Wahl der "Miss Ostland" ("Ostland" war die NS-Bezeichnung für das Baltikum und Teile Weißrusslands) aufgerufen wird, ist nicht etwa Teil eines obskuren Nazi-Netzwerks, sie befindet sich auf "VKontakte" (vk), dem russischen Äquivalent zu Facebook.

Eine Geschmacksverirrung? - Gewiss. Aber nicht minder ein Symptom des Herumspielens mit NS-Symbolik. Und das ist nicht russland- oder ukrainespezifisch, sondern ein Zug unserer Zeit, in dem etwa auch der deutsche Künstler Jonathan Meese mitreist. Das Heruntertakten dieser Symbolik zu postmoderner Beliebigkeit hat die Gesellschaft längst abgestumpft. Wenn ein aufgehetzter antisemitischer Mob dann, so wie jüngst, brüllt: "Hamas - Juden ins Gas", protestieren nahezu nur noch Vertreter jüdischer Verbände. Die "Miss Ostland" ist kein Zeichen für einen neu erwachten Nationalsozialismus - aber ein Zeichen für schwindende Abwehrkräfte gegen ihn.