Die Nummer 1 der Republikaner steht hundertprozentig fest: US-Präsident George W. Bush stellt sich am 2. November zur Wiederwahl. Auch sein Herausforderer auf Seiten der Demokraten ist nach Ansicht der meisten Beobachter schon ziemlich sicher: Senator John Kerry gilt als der wahrscheinlichste Kandidat. Wenn Kerry wie erwartet am 2. März bei den Vorwahlen am "Super-Dienstag" das Rennen endgültig für sich entscheidet, muss er sich nach einem "Running Mate" umsehen. Über die beiden Bewerber für das Amt des Vizepräsidenten wird derzeit in beiden Parteien heftig diskutiert.
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Bisher heißt es offiziell, dass Bush mit Vizepräsident Dick Cheney ins Rennen geht. Der amtierende Vize könnte aber zu einer politischen Hypothek für den Präsidenten werden. Denn der Mann im Schatten, der nur selten öffentlich auftritt und dafür lieber im Hintergrund als "Macchiavelli vom Weißen Haus" die Fäden zieht, hat nicht nur Fans. Laut einer "Time"-Umfrage sind die Amerikaner geteilter Meinung über ihre "Nummer 2": Immerhin jeder Zweite will nämlich einen anderen Bewerber. Und bei Umfragen zur Beliebtheit liegt Cheney regelmäßig hinter dem Präsidenten, der selber mit schwindender Popularität kämpft.
Die Vorwürfe der Begünstigung seines ehemaligen Konzerns Halliburton werden immer aufs Neue erhoben. Und Berichte, nach denen Halliburton sowohl bei der Energieversorgung der US-Truppen in der Golfregion als auch bei der Verpflegung zu hohe Kosten verechnet hat, erzürnen auch das Regierungslager. Auch kann Cheney nicht wie Kerry auf eine Soldaten-Vergangenheit verweisen, denn ebenso wie Bush entging er der Einberufung nach Vietnam. Cheneys großes Plus bei den letzten Wahlen im Jahr 2000 war seine Erfahrung als ehemaliger Verteidigungsminister von Bushs Vater Präsident George Bush, mit der er die mangelnde außen- und verteidigungspolitische Kompetenz des texanischen Gouverneurs ausglich. Dies kann Cheney diesmal nicht ausspielen, denn inzwischen hat Bush selber in Afghanistan und im Irak Krieg geführt.
Ein Rückzug von Cheney gilt daher nicht mehr als ausgeschlossen. Der gegenüber Bush um sechs Jahre ältere Politiker könnte das jederzeit mit Gesundheitsgründen argumentieren, denn er hat schon vier Herzinfarkte hinter sich. Ein neuer republikanischer Vizepräsident - vorausgesetzt dass Bush eine zweite Amtszeit gewinnt - könnte bereits als nächster Kandidat für die Präsidentschaftswahlen 2008 aufgebaut werden. Als möglicher Bewerber für das Ticket mit Bush gilt etwa der ehemalige New Yorker Bürgermeister Rudolph Giuliani. Auch ein "strategischer Kandidat" aus einem der wahlentscheidenden Bundesstaaten mit einem großen Anteil an Unentschiedenen hätte eine Chance.
Bei den Demokraten ist das Rennen noch völlig offen. Die prompte Unterstützung für Kerry durch seine ehemaligen Mitbewerber Dick Gephardt und Wesley Clark hat bereits bissige Kommentare über einen neuen "Paarungstanz" um den Favoriten hervorgerufen. Manche Parteifunktionäre wünschen sich auch ein Duo Kerry-Edwards: Der jugendlich wirkende Senator aus South Carolina mit seinem Zahnpasta-Lächeln könnte dem grauhaarigen Kerry jenen Charme verleihen, den er bisher bei aller Seriosität nämlich vermissen lässt - und Edwards könnte mit seinen populistischen Reden für die Demokraten in den wichtigen Südstaaten punkten.
Lediglich bei Howard Dean scheint es klar, dass er auch beim Rennen um den zweiten Platz hinter Kerry leer ausgehen würde: Einerseits weil Dean aus Vermont kommt, dem nördlichen Nachbarstaat von Kerrys Heimat Massachusetts. Und auch weil an dem ehemals in Umfragen Führenden bereits das Image eines Verlierers haftet, der bisher keine einzige Vorwahl gewonnen hat - und so einen Partner will niemand im Boot.