Rot gegen Grün bei den Vergabekriterien für Gemeindewohnungen.
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Wien. Die Wohnkosten in Wien steigen. Denn immer mehr Menschen ziehen nach Wien, und in den vergangenen zehn Jahren wurden zu wenige Wohnungen gebaut. Laut Schätzungen fehlen 2000 bis 8000 geförderte Wohnungen pro Jahr. Die Stadt sucht neue und alte Wege, um Wohnen leistbar zu halten und zu machen. Seit ein paar Tagen brodelt es auch wieder in der Gerüchteküche rund um das Thema. Laut einen Bericht der "Krone" am Sonntag gibt es einen "Geheimplan" der Roten, was die Vergabe von Gemeindebauwohnungen anlangt. Vor allem soll laut Bericht die Vergabe an "Neuösterreicher" gebremst werden. Die "echten Wiener" sollen bei der Zuteilung der günstigen Genossenschafts- und Gemeindebauwohnungen Vorrang bekommen.
Gleich vorweg: Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ) dementierte dies. Von "echten Wienern" habe er nie gesprochen, hieß es gestern, Dienstag, aus seinem Büro zur "Wiener Zeitung".
Wahr ist jedoch, dass er am Mittwoch "neue, transparente und faire Vergaberegeln" für alle gemeinnützigen Wohnungen vorstellen wird. Diese sollen mit 1. Juli in Kraft treten. Warum es überhaupt neue Vergaberegeln braucht, kommentiert das Stadtrat-Büro damit, dass diese immer wieder verändert würden und an die Rahmenbedingungen angepasst würden. "Die Gesellschaft verändert sich." Deshalb braucht es ein neues System.
In den Änderungen enthalten ist etwa die Zusammenlegung der Anmeldungen. In Zukunft wird man sich nicht mehr für eine Genossenschaftswohnung und/oder eine Gemeindewohnung oder eine geförderte Mietwohnung oder eine Eigentumswohnung anmelden müssen, sondern eine Anmeldung - egal wofür - reicht aus. Nach demselben Prinzip, nach welchem schon die Anlaufstellen seit Jänner dieses Jahres zu einer Anlaufstelle in der Guglgasse im 3. Bezirk zusammengelegt wurden.
Außerdem soll angeblich, wer schon länger als zwei Jahre in Wien lebt, auf der Warteliste vorrücken. Auch die Wohnungszuteilung soll strenger unter die Lupe genommen werden. Wer einen Überbelag meldet, um eine größere Wohnung zu bekommen, soll genauer geprüft werden.
Für die Grünen in Wien sind die neuen Regelungen "der falsche Ansatz". "Wenn die SPÖ die Zugangsregeln für den sozialen Wohnbau verschärft, wo sollen die Menschen dann hin?", fragte Gemeinderat und Wohnbau-Sprecher Christoph Chorherr gestern, Dienstag. "Wir wollen keine Situation wie in Hamburg, New York oder München, wo die Menschen gezwungen sind, sich außerhalb der Stadt anzusiedeln und zu pendeln." Deshalb schlagen die Grünen folgendes Zehn-Punkte-System für den Zugang zu Gemeindewohnungen vor:
Ausreichend Wohnungsangebote für Menschen im untersten Einkommensdrittel.
Gerechte und transparente Vergabe von geförderten Wohnungen in Wien anhand von Anmeldedatum und Bedürftigkeit nach Punktesystem.
25 Prozent der Wohnungen in einer gefördert errichteten Wohnhausanlage werden für Menschen mit besonders geringem Einkommen reserviert.
Steigerung des Anteils von geförderten Wohnungen, die durch die Stadt Wien oder NGOs, die sich nachweislich und in bewährter Hinsicht für bestimmte Zielgruppen einsetzen, vergeben werden, wie derzeit bei supergeförderten Smart-Wohnungen, auf 50 Prozent.
Sozialarbeiterische Betreuung auf Augenhöhe von Menschen in schwierigen Lebenssituationen und Berücksichtigung der sozialen Durchmischung einzelner Wohnhäuser. Das Modell "Housing First", dass unter Rot-Grün eingeführt wurde, soll ausgebaut werden.
Verstärkte Errichtung von Wohnungen mit Superförderung, dies ermöglicht sehr geringe Grund- und Baukostenbeiträge für die Bewohner zu Mietbeginn.
Neubau von Gemeindewohnungen unter besonderer Berücksichtigung der Nachverdichtung im innerstädtischen Bereich zur Senkung der Infrastrukturkosten.
Baurecht statt Verkauf. Stadteigene Grundstücke werden bevorzugt an gemeinnützige Bauvereinigungen im Baurecht vergeben, damit wird der Bestand an leistbaren Mietwohnungen langfristig sichergestellt.
Verpflichtend unbefristete Mietverträge in gefördert sanierten Wohnhäusern nach erfolgter Sanierung während aufrechter Förderung.
Senkungen der Einkommenshöchstgrenzen für geförderte Wohnungen um rund ein Drittel. Derzeit ist eine vierköpfige Familie mit einem Einkommen von 82.700 Euro netto jährlich berechtigt, eine Gemeinde- oder geförderte Wohnung zu bekommen.
Für die Grünen reicht der Gemeindebau aber längst nicht mehr aus, um die Nachfrage nach sozialen Wohnungen zu stillen. Die Genossenschaften sollten sich für die soziale Wohnungsvergabe öffnen, schlägt Chorherr vor. "Derzeit wird mit dem Gießkannenprinzip gefördert. Wir wollen aber, dass die Förderungen zielgerichteter ausgelegt werden." Die Genossenschaften seien derzeit Mittelstandsförderer, dabei sollten sie gezielt die niedrigsten Einkommensschichten fördern.
Karl Wurm, Geschäftsführer der Genossenschaft Gewog, kann dem Vorschlag nur bedingt etwas abgewinnen. Die Genossenschaft verpflichtet sich zwar, Wohnungen gefördert weiterzugeben, allerdings an jeden und unter einer bestimmten Einkommensgrenze. "Wenn das untere Drittel forciert werden soll, dann würde das natürlich anders aussehen", sagt er zur "Wiener Zeitung". Dann könnte einem hier die soziale Vergabe zu wenig sein.
Für Genossenschaftswohnungen in Miete oder Miet/Kauf-Option gebe es strenge Vorgaben und eine Einkommensgrenze. Diese bewege sich etwa im Bereich der Grenze der Gemeindewohnungen. Wenn man sehr günstige Mieten anbieten will, müsse man sich ansehen, ob es dafür auch adäquate Wohnungen gibt. Denn: "Die Einkommenshöhe muss mit der Miete korrelieren", so Wurm, der vor kurzem in Kritik geraten ist, weil er als Chef der Gewog sich Wohnungen in Häusern gekauft hat, die seine Firma profitorientiert gebaut hat und nun angeblich teilweise leer stehen lässt.
Potenzial sieht der Gewog-Geschäftsführer viel eher im älteren ausfinanzierten Wohnungsbestand. "Man könnte hier verstärkt auf die Jungen schauen", sagt er. Allerdings müsse zu allererst eine politische Richtlinie vorgegeben werden: "Man muss definieren, wen will ich fördern? Wer ist die Gruppe, die es am allermeisten braucht?"
Für Chorherr ist es möglich, den älteren ausfinanzierten Wohnungsbestand ins Visier zu nehmen, jedoch sollten "Reiche und Arme durch dieselbe Tür" gehen. Es sollten keine Ghettos geschaffen werden. Wien sei eine reiche Stadt, es müsse möglich sein, dass auch die Ärmeren in guten Wohnungen leben. Eine niedrigere Einkommensgrenze für geförderte Wohnungen sei für ihn die bessere Lösung. Außerdem sollte die Stadt ihre Grundstücke "nicht verscherbeln", sondern eher ein Baurecht erteilen. Damit werde der Bestand an leistbaren Mietwohnungen langfristig sichergestellt, zitiert der grüne Gemeinderat einen seiner zehn Punkte.
Unterm Strich bleibt bei allen die Frage: Für wen ist der soziale Wohnbau da? Ansätze gibt es viele. Die SPÖ sieht die Lösung im vielfältigen Wohnungsanbot - von der Smart- über die Superförderungs- bis zur neuen Gemeindewohnung. Das Angebot sollte "maßgeschneidert sein". Für die Grünen scheint die Umschichtung des Fördersystems geeignet zu sein. Doch in jedem Fall bleibt das Thema heiß umkämpft und etwas vage. Dass die Grünen einen Tag vor der offiziellen Bekanntgabe des neuen Vergabesystems seitens Wohnbaustadtrat Ludwig gleich in die Offensive gehen, ist allerdings eine klare Sprache: Es ist Wahlkampf.