Fischer mahnt Sarajewo, historische Chance zur EU-Annäherung zu nutzen.
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Sarajewo. Im Stadtgebiet von Sarajewo waren bereits großflächige Plakate angebracht worden, von denen Heinz Fischer freundlich herablächelte: Bei strahlendem Sonnenschein hat der Bundespräsident Bosnien am gestrigen Mittwoch einen Staatsbesuch abgestattet. Angereist war der Fischer - wenig komfortabel - mit Bundesheer-Maschinen vom Typ Hercules. Ziel war denn auch das Armee-Camp Butmir am Rande der Hauptstadt: Dort wurde das Staatsoberhaupt zunächst von einer Abordnung der Einsatztruppe Eufor - Österreich stellt über 200 Soldaten und Soldatinnen - mit allen militärischen Ehren begrüßt. Danach wurde das von Verteidigungsminister Gerald Klug begleitete Staatsoberhaupt über Einzelheiten der Bundesheer-Mission in Bosnien informiert. 18 EU-Länder haben hier Soldaten, der Einsatz steht unter österreichischem Kommando. Es sei aber noch nie nötig gewesen, hier militärisch eingreifend tätig zu werden, vermeldete der österreichische Generalmajor Dieter Heidecker, Kommandant der Eufor.
Für Fischer war es jedenfalls ein Besuch "der besonderen Art", wie er den mitgereisten österreichischen Medienvertretern verriet. Immerhin würden in Österreich tausende Bosnier leben. Der österreichische Bundesheer-Einsatz sei "erfreulich und überzeugend". Österreichs Soldaten würden hier viel Anerkennung ernten und seien hoch motiviert.
Scharfe Kritik übte Fischer dann aber an der Reformblockade in dem politisch zerstrittenen Balkanland selbst. Die Fortschritte seien "sehr langsam", von Dynamik sei nicht viel zu sehen. Wirtschaftlich sei zwar eine positive Bilanz zu erkennen, politisch aber nicht. Als Hauptgrund nannte der Präsident dabei die verschachtelten politischen Entscheidungsstrukturen sowie das Misstrauen zwischen den drei Nationalitäten - Bosniaken, Serben und Kroaten. Dabei, so Fischer, sei der europäische Weg für das Land prinzipiell offen. "Bosnien würde offene Türen in der EU finden, aber die Verfassungsänderungen gehen schrecklich langsam vor sich."
Auf Frage der "Wiener Zeitung", ob man dem ehemaligen Bürgerkriegsland nicht einfach Zeit geben und auf eine neue Generation hoffen sollte, sagte Fischer - in Anlehnung an ein Zitat des ehemaligen sowjetischen Staatschefs Michail Gorbatschow: "Wer zu spät kommt, den bestraft die europäische Geschichte."
Wenn das Land die Sympathie, die ihm entgegengebracht werde, nicht nutze, dann würden die Probleme Bosniens nicht kleiner. Das Land müsse selber aktiv werden: "Man kann die Pferde zum Fluss führen, saufen müssen sie selber", so das Staatsoberhaupt. Allerdings gebe es bereits einen Silberstreif am Horizont. Wenn Bosnien im Fußball gewinne, würde das ganze Land wie ein Mann jubeln. Es gibt also Hoffnung, dass die zerrissene Nation zu sich selbst findet.