In Wahlkampfzeiten wagen sich die Spitzenpolitiker unter das Volk. Ein offenes Ohr für die Sorgen der Menschen, ein verständnisvolles Lächeln und dann: "Denken S' an mich am 25. März und wählen S' uns." So wird auch in diesem Wahlkampf der traditions- und ereignisreiche Viktor-Adler-Markt - Hilmar Kabas bekam hier eine Torte verpasst - zum Schauplatz wahlwerbender VP- und FP-Spitzen.
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"Ein Photo mit dem Vizebürgermeister gefällig?" fragt ein eifriger Wahlhelfer von Bernhard Görg. Der Angesprochene stellt sich lächelnd neben den VP-Politiker und bekommt prompt ein signiertes Polaroidphoto in die Hand gedrückt - zum Andenken an den historischen Einkaufstag am Viktor-Adler-Markt.
Eine Pensionistin stürzt besorgt auf den Planungsstadtrat und VP-Wohnbausprecher Georg Fuchs zu. Sie hätte eine Bekannte, die - obwohl bedürftig - keine Gemeindewohnung bekomme, weil sie allein stehe. "Bitte, denken Sie doch zuerst an die Österreicher, dann erst an die anderen." Gleich darauf wendet sich ein gebürtiger Türke an Fuchs: "Bin seit zwei Jahren Staatsbürger, bekomme aber keine Gemeindewohnung." Schon die ersten paar Minuten zeigen eine Fülle widerstreitender Interessen: Keine leichte Aufgabe, es allen Wienern recht zu machen. "Ich halte nichts von Resentiments gegen Ausländer. Ich besuche oft die Moschee", erzählt Fuchs der "Wiener Zeitung". Bei den einheimischen Mitbürgern versucht der Stadtrat um Verständnis zu werben. Denn natürlich sei die Wohnsituation in manchen Gegenden trist. Als Lösung verspricht er Wohnbeihilfe für alle, auch wenn er weiß, "dass die Verbesserung der Wohnungsqualität ein längerfristiges Projekt ist."
Eben erhält Görgs Pressesprecherin Andrea Leitner einen Anruf: Das Fernsehen hätte Görg gerne neben der ebenfalls am Markt werbenden Vizekanzlerin aufgenommen. "Kommt doch überhaupt nicht in Frage, dass ich mich jetzt neben die Riess-Passer stelle. Die sollen mich gefälligst hier filmen", lehnt dieser barsch ab. Ein Schmeichelkurs mit der FP liegt ihm fern, das wäre ein falsches Signal an seine Klientel.
Beim Podium der FP auf der Favoritenstraße haben sich 40 Polizisten versammelt. "Bei F-Veranstaltungen ist es heikler, da müssen wir uns postieren", meint einer der Polizisten. Die Blasmusikkapelle spielt zur Einstimmung Volkstümliches. Susanne Riess-Passer ist gekommen, um den Favoritnern ihre Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit und der Drogenproblematik zu erklären sowie um Verständnis für den Sparkurs zu bitten. "Wir hätten gerne Steuern gesenkt, doch sozialistische Minister haben täglich 130 Mill. S Schulden gemacht," meint die Vizekanzlerin. Doch während die Sozialisten, wären sie noch an der Macht, den Benzinpreis um einen Schilling pro Liter erhöht hätten, werden die Freiheitlichen den Kriegsheimkehrer-Zuschlag auf Pensionen durchsetzen. Als nächstes kommen die Abfertigungen und Pensionen von Ex-Kanzler Viktor Klima zur Sprache. "Der is a G´frast", tönt es aus dem Publikum. Ein Pensionist nickt erfreut, als der Name der Spitzenkandidatin Helene Partik-Pablé fällt: "Die is vü besser als der Kabas, die hätten's gleich aufstelln solln."
"Ich war 30 Jahre ein Roter, aber ich bin von der sogenannten Arbeiterpartei total enttäuscht. Nun bin ich seit 10 Jahren Freiheitlicher", erzählt ein Pensionist und ehemaliger Gemeindebediensteter. Sein Nachbar stimmt ihm zu, ihm sei es ähnlich ergangen. Da geht ein anderer Zuhörer empört auf die Barrikaden: "Das ist die Partei mit der zerfetzten Zunge. Zuerst kürzen sie Euch die Renten und jetzt wollen sie das Militär für die Nato aufrüsten. Die wollen Euch noch viel mehr wegnehmen", schreit er warnend in die Menge. Ein 70jähriger Pensionist gerät mit zwei anderen über die FP-Politik in Streit: "Die bevorzugen nicht die kleinen Leute. Das ist alles Schmarren.""Auf Bundesebene sparen wir jeden Schilling und die linken Chaoten verursachen mit ihren Demos hundert Millionen Schilling an Kosten", polemisiert Pablé. Als empörend empfinde sie besonders, dass die Grüne Madeleine Petrovic, ja sogar der so besonnen wirkende Alexander van der Bellen an der Spitze der Demo-Bewegung stünden. Ein lautes "Pfui Petrovic" hallt über den Markt.
Bravorufe für Helene gibt es, als sie das dezidierte Nein zum Ausländerwahlrecht hervorhebt. Unisono schreien einige begeistert: Jawoll. "Wenn sich die ausländischen Mitbürger ordentlich verhalten, haben wir nichts gegen sie. Aber die Österreicher sollen über die Politik im Land entscheiden."
Hilmar Kabas Slogan, die Gemeindewohnungen sollen den "echten Wienern" vorbehalten bleiben, stößt hier auf Gegenliebe. Kabas: "Schaun Sie nach Kärnten wie dort alles floriert und blüht", ruft er einer Passantin zu. Die ist aber anderer Meinung: "Im Süden werden alle mundtot gemacht und verfolgt." Manche würden sogar von der Polizei abgeholt, falls sie andere Ansichten hätten. "Sie sind eine Märchenerzählerin", wendet sich der freiheitliche Landesobmann erstaunt ab.