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Werbung für den Faymann-Tausender

Von Clemens Neuhold

Politik

Regierung appelliert an Medien, die Bevölkerung von der Steuerreform zu überzeugen.


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Wien. Es kommt nur noch selten vor, dass Politiker die unsichtbare Trennwand zwischen sich und den Journalisten niederreißen und offensiv um positive Berichterstattung bitten. Die Gewaltentrennung gilt für gewöhnlich auch gegenüber der 4. Macht im Staat: den Medien. Nach Steuerreformen sind diese Gesetze in der Regel außer Kraft gesetzt. Politik und Medien ziehen - aus Sicht der Politik - für einmal an einem Strang. "Bei aller Verantwortung bitte ich Sie, die Kaufkraft nicht zu vergessen", wendet sich Bundeskanzler Werner Faymann an die Journalisten im Ministerratssaal, "das ist ein guter Tag". Man ist geneigt, es laut zu wiederholen. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner sagt dasselbe, nur etwas ruppiger, und zitiert Artikel über die Steuerreform, die ihm viel zu negativ waren.

Faymann und Mitterlehner sind bemüht, die Massen auf Kaufmodus zu programmieren. Wirtschaft ist auch Psychologie. Klappt es, finanziert sich die "größte Steuerreform der 2. Republik" (Faymann) zum Teil selbst. Wenn nicht, klafft ein Loch.

Der Mechanismus hinter der "Selbstfinanzierung": Die Menschen geben ihren Gewinn aus der Steuerreform aus und bringen so die Wirtschaft in Schwung. Die Betriebe investieren mehr, stellen Menschen ein, und der Finanzminister profitiert von neuen Einnahmen aus der Konsum-, Lohn- und Betriebssteuer.

Fehlt den Bürgern aber das Vertrauen in die Reform, legen sie das Geld womöglich auf ein Sparbuch und der Effekt verpufft. Die Steuerexpertin Margit Schratzenstaller vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) teilt das Ansinnen: "Im Sinne der Wirksamkeit der Steuerreform wäre es falsch, das Paket kaputt zu reden." Deswegen sei hier erneut festgehalten: Wer 2600 Euro brutto monatlich verdient, erspart sich ab 2016 ganze 1000 Euro Lohnsteuer pro Jahr. "Es ist etwas angekommen im Börsel", sagt Faymann, wissend, dass es noch neun Monate bis zur Entlastung dauert. Schratzenstaller meint aber auch: "In erster Linie ist natürlich die Regierung gefordert, weitere Reformen anzugehen." Und hier klingt die Skepsis so vieler Experten und Bürger durch, ob sich Österreich die Entlastung überhaupt leisten kann oder der "Faymann-Tausender" durch ein Sparpaket wieder entwertet wird. Den fünf Milliarden Entlastung stehen ja fünf Milliarden neuer Einnahmen gegenüber, etwa durch den Kampf gegen Steuerbetrug, (1,9 Milliarden), Kürzungen bei Förderungen und Verwaltung (1,1 Milliarden), Selbstfinanzierung (850 Millionen), dem Streichen von Steuerprivilegien (900 Millionen). Faymann gibt zu, dass diese Maßnahmen zur Gegenfinanzierung der Steuersenkung erst Ende 2018 voll greifen. Auf die Nachfrage im Kanzleramt, wie sich dann ein ausgeglichener Haushalt 2016 ausgeht, den Brüssel vorschreibt, heißt es, andere Maßnahmen könnten dafür in den ersten Jahren höhere Einnahmen einbringen. Und hier liegt die Hoffnung auf der Konjunktur und einer besonders starken Kauflust noch ganz am Anfang. In Vorbereitung der Lockerung des Bankgeheimnisses werden außerdem größere Kapitalflüsse ins Ausland schon jetzt kontrolliert.

Mitterlehner versucht, die Ängste von Wirten und Bauern vor der auf 13 Prozent erhöhten Mehrwertsteuer (u.a. auf Nächtigungen, Saatgut etc.) zu zerstreuen. Durch die dicken Mauern des Bundeskanzleramtes drangen die Demo-Parolen aufgebrachter Hoteliers wie: "Kein Schnitzel für Politiker", "wir wollen den Django sehen"). Mitterlehner: "Das ist für niemanden eine existenzielle Bedrohung." Zurücknehmen will er die Steuererhöhung aber nicht: "Wir halten Linie. Aus Prinzip."

Voll des Lobes ist Bundespräsident Heinz Fischer über die Reform: "Die Maßnahmen sind außerordentlich wertvoll, um die Kaufkraft und die Konjunktur zu beleben." Jetzt müssen die Bürger das nur noch abkaufen.