Wie bringt man potenzielle Kunden in ein Geschäft? | Was veranlasst sie, länger zu bleiben und mehr zu kaufen? | Wie kann man ihre Aufmerksamkeit ganz gezielt lenken? | Eindhoven. Immer neue Marketinginstrumente sollen Kunden zum Kaufen animieren: Rabatte, Niedrigpreise und Musik, Erlebniswelten, Düfte und nicht zuletzt - Licht. Der Marktschreier ist out, das moderne "Kaufevent" ist in. Sehen, Hören, Riechen, Fühlen - die Werbeindustrie rüstet zum Großangriff auf alle Sinne. Laut einer deutschen Studie hat jeder ungefähr 3000 Markenkontakte täglich, das heißt er wird mit zirka 3000 Plakaten, Fernsehspots oder Anzeigen bombardiert. Logisch, dass einzelne Produkte in der Werbeflut untergehen. Deshalb will die Branche nun mit raffinierten Sinnesreizen eine zusätzliche Dimension erschließen.
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Die Forschungsabteilung des internationalen Elektronikkonzerns Philips hat an ihrem Hauptsitz in Eindhoven ein komplettes Einzelhandelsgeschäft aufgebaut. Ihr Ziel ist es, den Einfluss der neusten Beleuchtungstechnik auf das Käuferverhalten zu testen. "Stellen Sie sich vor, Sie kommen abends an einem Schaufenster vorbei und interessieren sich für einige der Waren die dort ausgestellt sind", sagt der Forschungsmanager Ulrich Schiebel, während er auf das Schaufenster des eleganten Bekleidungsgeschäftes zuläuft. "Dann melden sich diese Waren und das Fenster zeigt Ihnen auch noch zusätzliche Informationen über sie an und empfiehlt ihnen dazu passende andere Produkte."
Kaum hat Schiebel die letzten Worte gesprochen, geht im Inneren des Ladens plötzlich wie von Zauberhand ein sanfter Lichtspot an, der auf ein Paar schwarze Schuhe gerichtet ist. Der Trick: Im Schaufenster haben die Lichtingenieure unauffällig einige Kameras installiert, die die Blickrichtung des Passanten genau erfassen. Über eine Bildanalyse ermitteln die Kameras dann das Objekt seiner Begierde, was seinerseits mit einem Extraspot ausgeleuchtet wird. Und das Schaufenster kann noch mehr. Es kann zugleich Leinwand und Fenster sein, denn im Laden befinden sich mehrere Bild-Projektoren, die Bilder der Kollektion auf die aufgeraute Scheibe projizieren. So entsteht ein Touchscreen, ohne dass die Funktion des Schaufensters verloren geht. "Mit dieser Technik kann sich der Kunde selbständig durch das ganze Warensortiment klicken und sich auch abends oder Sonntags über das Produktangebot informieren", erklärt der Forschungsmanager.
Lichteffekte wecken die Frühlingsgefühle
Im Testgeschäft sind es vor allem Lichteffekte: Mit kleinen, flexiblen und im Energieverbrauch äußerst sparsamen OLED Lampen (organische Leuchtdioden) können ganz gezielt bestimmte Stimmungen wie etwa Frühlingsgefühle hervorgerufen werden. Diese Entwicklungen orientierten sich hauptsächlich an psychologischen Tests, welche die Forschungsabteilung durchgeführt hat. "So haben wir beispielsweise beobachtet, dass die Kunden, die sich in einem farbigen Szenario voller Lichteffekte aufhielten, viel länger in dem Laden blieben, als die in einem neutralen Szenario", sagt die Psychologin der Philips Forschungsabteilung, Jettie Hoonhout. Die Aufenthaltsdauer ist von erheblicher Bedeutung, denn alle Marktstudien beweisen: Verweilen Kunden länger, kaufen sie mehr.
Wie die Philips-Forscher weiter herausfanden, sind es nicht nur die Lichteffekte, sondern auch die Farben, die eine positive Stimmung vermitteln. "Wir wis sen zum Beispiel, dass Asiaten eine bläuliche, weißliche Beleuchtung bevorzugen, während Europäer sich eher bei warmen Farben wie gelb oder orange wohl fühlen", sagt Hoonhout.
Natürlich kann man bei der Beleuchtung auch einiges falsch machen. In ihrem Lichtforum bei Lemgo haben die Techniker von Zumtobel verschiedene Szenarien aufgebaut, die zeigen, wie wichtig die richtige Beleuchtung für die Präsentation eines Produktes ist.
Ein wesentlicher Punkt ist die Bildung von Kontrasten. Bei zu wenig Kontrasten erkennt der Kunde die Ware kaum, während zu viele Kontraste die Szenerie zu hart erscheinen lassen. "Allerdings kommt es auch hier auf die Zielgruppe an", sagt Jochen Stappelfenne, Pressesprecher von Zumtobel. "So ist bei Billigdiscountern meist alles in ein eher milchiges Licht ohne viele Kontraste getaucht, während Edelboutiquen eher jedes einzelne Kleidungsstück durch viel Kontraste hervorheben wollen."
Schöner Schein über kümmerlichem Sein
Allerdings: Wie man mit Licht und Farbe umgeht, wissen die meisten Inhaber von Marktständen schon lange. Eine orangefarbene Markise etwa lässt Obst und Gemüse stets besser aussehen, als die Ware ist. Und so wird man auch in Zukunft aufpassen müssen, dass man nicht mehr "Schein als Sein" in die Einkaufstasche stopft.
Den Kunden bei der Stange zu halten, darauf zielen auch andere, die Sinne stimulierende Maßnahmen wie Düfte oder die Berieselung mit Musik ab. "Düfte können die Phantasie inspirieren, Gefühle entfachen und bei richtigem Einsatz über das Wohlbehagen der Kunden entscheiden", sagt Andrea Gröppel-Klein, Direktorin des Instituts für Konsum- und Verhaltensforschung an der Universität des Saarlandes. Allerdings muss man beim Einsatz von Düften vorsichtig sein. Vor allem die richtige Dosierung ist enorm wichtig. "So muss der Duft zwar bemerkbar sein, aber er darf auf keinen Fall überdosiert werden", weiß Gröppel-Klein. "Sonst empfindet der Konsument ihn als belästigend und möchte unter Umständen den Laden bald möglichst verlassen."
Problematisch: Gerüche und Geräusche
Eine optimale Dosierung ist für viele Kaufhäuser schwierig, da die Klimaanlagen häufig nicht so genau eingestellt werden können. Deswegen haben viele auch extra Beduftungsanlagen. "Außerdem ist es sehr wichtig, dass der Duft und das verkaufte Produkt in einem Zusammenhang stehen", meint die Professorin für Betriebswirtschaft.
Ähnlich verhält es sich mit der Musik. Sie soll beim Einkaufen von störenden Geräuschen ablenken und auch eine unerwünschte, oft als bedrückend empfundene Stille vermeiden. Der Kunde soll sich wohl fühlen und im Laden bleiben. Doch auch hier kann es ein Problem geben: Nicht alle Kunden haben den gleichen Musikgeschmack. Gerade in Supermärkten ist der Kundenstamm ziemlich heterogen. Was bei einem zum Einkaufen anregt, führt beim anderen zum Wunsch nach Flucht. Deswegen dürfe die Musik in großen Kaufhäusern und Supermärkten auch nie zu aufdringlich sein. "Sonst kann sie ganz schnell zum Stressfaktor werden."
Klassik inspiriert zu teureren Käufen
Wissenschaftliche Studien belegen, dass in Fachgeschäften, deren Kunden sich mehr ähneln, die Musikberieselung wesentlich besser funktioniert. Und Musik kann sogar die Kaufentscheidung beeinflussen. Ein Experiment in einem US-amerikanischen Weinladen ergab, dass die Kunden, begleitet von leichter klassischer Musik, dreimal so teure Flaschen kauften wie bei der versuchten Stimulierung durch Popmusik. Als ein englischer Supermarkt in seiner Weinabteilung deutsche Volksmusik abspielte, kauften die Kunden zu zwei Dritteln deutsche Weine, hörten sie französische Chansons, wurden zu achtzig Prozent Weine aus Frankreich verkauft.