Ein Gespräch über Integration, das Kopftuch und die Wiener.
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Passau. Was haben Anneliese, Hasan und der Hausmeister Mompfreed gemeinsam? Sie alle werden gespielt von Bülent Ceylan, dem deutsch-türkischen Comedian mit den markanten langen Haaren. Der stolze Gewinner des deutschen Comedy-Preises 2011 sorgt für ausverkaufte Hallen in Deutschland und bewirkt Lachanfälle bei seinen Fans. Die "Wiener Zeitung" traf den gebürtigen Mannheimer in Passau, wo er seine neue Show "Wilde Kreatürken" vorstellte, und lernte die seriöse Seite des "lustigsten Mannes Deutschlands" kennen.
"Wiener Zeitung": Herr Ceylan, was dürfen wir von den "Wilden Kreatürken", die Sie auch in Wien vorstellen, erwarten?
Bülent Ceylan: Es wird Rock’n’Roll! So eine Stimmung werdet ihr bestimmt noch nicht erlebt haben. Die Show ist etwas zwischen Rock-Konzert und Comedy.
Sie wurden mit dem höchsten Preis der Comedy-Branche ausgezeichnet. Hat sich seitdem etwas verändert?
Klar, der Druck ist größer geworden. Die, die mich kennen, sagen: "Nach 13 Jahren hast du ihn dir verdient." Doch diejenigen, die mich nicht kannten, kommen mit anderen Augen herein und sagen: "Ich guck mal, ob der des Titels ,Bester Comedian auch würdig ist." Einmal kam ein Herr zu mir, den seine Frau gezwungen hatte, die Show anzusehen. Der war total überrascht, da er mich nur vom TV kannte. Live war es für ihn ein ganz anderes Erlebnis.
Sie waren ja bereits in Wien. Wie finden Sie die Wiener?
Österreicher generell sind einfach Hammer. Die sind richtig abgegangen. Wenn Österreicher mal was lieben, dann aber richtig. Außerdem habt ihr hübsche Frauen und seid nett. Manche brachten mir sogar Geschenke. Ich mag ja auch den Wiener Dialekt: "Wos wüst’n, wos host’n, wos wüst von meiner Mutter?" Ah ja, "Oachkotzlschwoaf" und "schiach" sind auch Hammer-Worte!
Hätten Sie jemals damit gerechnet, dass Sie mal so weit kommen?
Wenn man bedenkt, dass ich mit zehn, zwanzig Zuschauern in kleinen Räumen angefangen habe, ist das schon krass. Ich bin nach Mario Barth der zweite Comedian überhaupt, der in der Olympiahalle in München vor 10.000 Leuten auftreten darf.
Sie engagieren sich nebenbei auch in diversen Integrationsprojekten - wie definieren Sie Integration?
Seit (der umstrittene Rapper, Anm.) Bushido den Integrationspreis gewonnen hat, weiß ich nicht genau, was Integration ist (lacht). Für mich heißt Integration, dass man über sich selbst lachen kann. Es heißt auch, Kulturen und Länder miteinander verbinden, sich gegenseitig akzeptieren und voneinander lernen. Bis zu einem gewissen Grad muss man sich anpassen, also zumindest die Sprache des Landes beherrschen, in dem man lebt.
Welche persönliche Motivation steckt hinter Ihrem Engagement?
Ich bin ja in beiden Kulturen aufgewachsen, da mein Vater Türke ist, meine Mutter Deutsche. Da hast du eine Art Verantwortung, auch gegenüber türkischen Jugendlichen. Du merkst, wie sie einen verehren und begreifen, dass sie es auch als Türken in Deutschland zu etwas bringen können. Klar gibt es welche, die keinen Spaß verstehen, aber die meisten integrierten Türken sind stolz auf mich - auch in Österreich!
Hatten Sie schon einmal so etwas wie eine Identitätskrise?
Als Kind hatte ich eine Namenskrise. Die Menschen reagierten komisch auf meinen Namen: "Bü-was? Bü-lent?" Irgendwann nervte mich das und ich bekam den Spitznamen Billy. Doch der passte nicht zu mir und ich bestand auf meinen echten Namen. Ich wollte auch nicht gefragt werden, was ich denn nun sei, sondern einfach so als Deutscher akzeptiert werden. Meine türkischen Wurzeln habe ich auch nie verleugnet, denn wenn man beides akzeptiert, ist man auch weltoffener. Deshalb mache ich meinen Beruf mit Leidenschaft. Ich steh hinter dem, was ich bin und was ich mache.
Leistet Ihre Show einen Beitrag zur Integration?
Auf jeden Fall, da ich ja versuche, zwischen den zwei Kulturen zu vermitteln. Leider sitzen verhältnismäßig weniger Türken als Deutsche im Publikum. Ich finde es schön, wenn auch Türken da sind. Wenn die Deutschen eine lachende Frau mit Kopftuch sehen, beginnt vielleicht ein Umdenken, weg von der armen unterdrückten Frau.
Wie stehen Sie zum Kopftuch?
Meine Tante trägt zwar eines, aber die Familie meines Vaters ist sehr links eingestellt und modern. Als Atatürk-Anhänger reagiert er krasser als ich, wenn er junge Frauen mit Kopftuch sieht.
Sido und Detlef D! Soost haben Deutschland den Rücken gekehrt, um in Österreich durchzustarten. Könnten Sie sich das vorstellen?
Ich kann mir immer alles vorstellen, vor allem im deutschsprachigen Raum. Österreich würde ich jedenfalls der Schweiz vorziehen, da ich Österreichisch besser verstehe als "Schwyzerdütsch".
Ihr Kollege Kaya Yanar ist im türkischen TV aufgetreten, hat sich wegen seiner schlechten Türkischkenntnisse aber nicht präsentieren können. Kann Ihnen das auch passieren?
Mein Türkisch ist nicht gut, mein Russisch ist sogar besser! In der Türkei kommt das nicht gut an, als Türke nicht gut türkisch zu sprechen. Die fragen sich gleich: Wieso kann der das nicht, hat der ein Problem? An der Pass-Kontrolle fragte mich ein Beamter, ob ich Kurde sei und gegen die türkische Sprache protestieren würde!
Sie sind ja mittlerweile sehr bekannt in Deutschland. Können Sie noch ein normales Leben führen?
Nein, Einkaufen zum Beispiel geht gar nicht. Ich kann mich nicht verstecken, selbst wenn ich mal einen schlechten Tag habe und keine Fotos machen will. Denn da bist du gleich als arrogant abgestempelt. Für manche ist es schwer nachzuvollziehen, dass ich auch eine Privatsphäre habe. Die meinen dann: "Ich hab doch für dich bezahlt, du gehörst mir." Aber ich bin schon froh, dass das so ist. Schlimmer wäre es, wenn ich gar nicht angesprochen werde. (lacht)
Haben Sie zum Schluss noch eine Message an die Wiener?
Ja, kommt alle zur meiner neuen Show am 28. 7. 2012 in die Stadthalle! Die Show wird das Geld mehr als wert sein: Ich werde für die Wiener verrecken!