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"Werde wieder beisitzen"

Von Katharina Schmidt

Politik

Wahlaufhebung: Ermittlungen gegen die Mitglieder der Wahlbehörden laufen. Auch berufliche Konsequenzen drohen.


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Wien. Deutlicher konnten es die Verfassungsrichter wohl kaum ausdrücken. In ihrem schriftlichen Erkenntnis zur Aufhebung der Bundespräsidentenstichwahl, das seit Mittwoch online ist, haben sie festgehalten, wie wichtig die Rolle der Wahlbeisitzer als Kontrollinstanz bei der Auszählung ist. "Insbesondere die Regelungen über die (proporzmäßige) Zusammensetzung der Wahlbehörden, deren stimmberechtigte Beisitzer durch die von Wahlen betroffenen politischen Parteien nominiert werden, verbürgen die Qualität der Behörden", heißt es.

Gleichzeitig erteilen die Verfassungsrichter den Wahlbeisitzern in den Bezirkswahlbehörden aber auch eine deutliche Rüge. Denn viele von ihnen hatten die Niederschriften über den Auszählungsvorgang der Wahlkarten am Montag nach der Bundespräsidentenstichwahl zwar unterschrieben, waren sich aber über deren Inhalt nicht im Klaren. So bezeugten viele mit ihrer Unterschrift Vorgänge, die so nie stattgefunden haben - zum Beispiel, dass die Wahlkarten gesetzeskonform erst am Montag nach dem Wahltag ausgezählt worden seien. Von den Verfassungsrichtern nach dem Grund gefragt, erklärten einige, sie hätten das Protokoll nicht gelesen oder geglaubt, dass sie mit ihrer Unterschrift nur das Wahlergebnis bestätigten.

"Beisitzer müssen auf Unregelmäßigkeiten hinweisen"

In seinem Erkenntnis hielt der VfGH nun fest, dass "den Niederschriften der jeweiligen Wahlbehörde besondere Bedeutung zukommt". In diesem Zusammenhang sei es "insbesondere Sache der Beisitzer (. . .), darauf zu dringen, etwaige Unregelmäßigkeiten in der Niederschrift festzuhalten, und für den Fall, dass dies verweigert wird, deren Unterfertigung unter Angabe des entsprechenden Grundes zu unterlassen". Die Verfassungsrichter betonen auch, dass es sich bei einer solchen Niederschrift um eine öffentliche Urkunde handelt.

Genau diese Aspekte werden jetzt einigen Mitgliedern der Bezirkswahlbehörden zum Verhängnis. Wie berichtet, hat das Innenministerium ja mehrere Anzeigen gegen Wahlbehörden - unter anderem gegen jene 117, die in der FPÖ-Wahlanfechtung erwähnt wurden - bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) eingebracht. Die Behörde überprüft nun in allen Fällen, ob Ermittlungen wegen Amtsmissbrauchs und falscher Beurkundung im Amt aufgenommen werden, heißt es dort. In diesem Zusammenhang soll der Kärntner Landtag am Dienstag die Immunität der zwei Abgeordneten Harald Trettenbrein und
Roland Zellot aufheben. Dies beantragte die WKStA laut Landtagspräsident Reinhart Rohr. Trettenbrein und Zellot waren Beisitzer in Bezirken, in denen es zu Unregelmäßigkeiten gekommen war.

"Wir ermitteln noch nicht in jedem Fall, der in der Wahlanfechtung erwähnt wurde", sagt Sprecher René Ruprecht. Aber: "Wir schauen uns jede Behörde an und entscheiden dann Punkt für Punkt, ob strafrechtliche Ermittlungen aufgenommen werden." So würde bereits in fünf Wahlsprengeln in Kärnten und je einem in der Steiermark, Niederösterreich, Oberösterreich und dem Burgenland ermittelt. Ob auch Bezirkswahlbehörden betroffen sind - denn nur um diese geht es in dem VfGH-Erkenntnis - sagte er nicht.

WKStA hat Behördenmitglieder in Villach einvernommen

In der Stadt Villach wird jedenfalls nicht nur gegen den Wahlleiter, Bürgermeister Günther Abel (SPÖ), ermittelt, sondern auch gegen sämtliche anderen Mitglieder der Bezirkswahlbehörde, wie FPÖ-Beisitzerin Isabella Lehner der "Wiener Zeitung" bestätigt. "Wir hatten alle schon unsere Einvernahmen vor der WKStA", sagt sie. Wie viele FPÖ-Beisitzer hat Lehner zwar das Protokoll unterschrieben, später aber der Partei rückgemeldet, dass nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sei.

"Ich hätte damals nie gedacht, dass das zu einer Wahlwiederholung führen könnte", sagt Lehner. Auch, dass sie jetzt ein Strafverfahren am Hals hat, das sie vielleicht sogar den Job kosten könnte, war für sie damals noch denkunmöglich. Der Strafrahmen für Amtsmissbrauch liegt bei sechs Monaten bis fünf Jahren Haft, jener für "falsche Beurkundung und Beglaubigung im Amt" bei bis zu drei Jahren. Frau Lehner ist öffentlich Bedienstete und als solche droht ihr der Amtsverlust, wenn sie zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wird. Immerhin stellt ihr die FPÖ einen Anwalt zur Seite. Aber "sollte mich die volle Härte des Gesetzes treffen, dann stehe ich dafür ein", sagt sei. Denn: "Ich habe einen Fehler gemacht und Dummheit schützt vor Strafe nicht." Allerdings könnte es auch sein, dass man sich die "Sündenböcke weiter oben holen wird". Der Bürgermeister falle zwar nicht ins Disziplinarrecht, der Wahlamtsleiter aber schon. Und diese beiden hätten auch auf die Einhaltung der Gesetze schauen müssen. Lehner ist seit den 1990er Jahren als Beisitzerin in der Bezirkswahlbehörde und Sprengelwahlleiterin tätig. "Während wir im Sprengel eine Schulung bekommen, wenn wir das wollen, und auch immer ein Leitfaden des Innenministeriums bereitliegt, war das auf Bezirksebene noch nie der Fall", sagt sie. Deshalb hätten auch alle unterschrieben, "weil sie wirklich geglaubt haben, sie bezeugen das Ergebnis". Lehner wird trotzdem am 2. und 3. Oktober wieder als Beisitzerin arbeiten: "Ich gehe davon aus, dass das die am besten überwachte Wahl sein wird und dass es Schulungen geben wird."

Auch von einer anderen Seite könnte Ungemach drohen: Im Innenministerium werden derzeit dienstrechtliche Konsequenzen für einzelne Mitglieder der Wahlbehörden geprüft. Ob unter diesen Umständen noch alle von den Parteien bestellten Wahlbeisitzer auch Anfang Oktober ihre Arbeit verrichten wollen, wird man sehen. Wenn nicht, könnte es passieren, dass Beamte abgestellt werden, was die Kosten in die Höhe treibt. Laut dem Leiter der Wahlabteilung, Robert Stein, wird der Leitfaden des Innenministeriums an das VfGH-Erkenntnis angepasst. Immerhin: Die Rüge ist angekommen.