Die Corona-Pandemie ändert alles. Doch es ist Vorsicht geboten.
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In Zeiten der Corona-Krise hört und liest man in den USA plötzlich doch recht überraschende Aussagen und Kommentare: "Everyone’s a Socialist in a Pandemic" ("In Zeiten einer Pandemie ist jeder eine Sozialist"), war etwa jüngst in der "New York Times" zu lesen. Der "Philadelphia Inquirer" sinnierte darüber, ob die gegenwärtige Krise in der USA zu einer Art "disaster socialism" ("Katastrophen-Sozialismus") führen könnte. Und das in dem Land, in dem Präsident Ronald Reagan einmal den berühmten Satz geprägt hat: "The nine most terrifying words in the English language are: I’m from the Government and I’m here to help." ("Die neun furchteinflößendsten Worte der englischen Sprache sind: Ich komme von der Regierung, und ich bin hier, um zu helfen.")
In der Corona-Krise hat dieser Satz aber offenbar seinen Schrecken verloren, auch in den USA wird lautstark nach dem Staat verlangt: Er ist jetzt gefordert, er muss die Wirtschaft am Leben halten, muss Nothilfen zur Verfügung stellen, muss Katastrophenpläne entwerfen, knappe Güter wie Schutzmasken und Beatmungsgeräte beschaffen und, und, und.
Und die Maßnahmen, welche die USA in dieser Krise verabschiedet haben, lassen sich tatsächlich sehen: So stieg das durchschnittliche Arbeitslosengeld in den USA durch das vom Kongress verabschiedete Corona-Hilfspaket von etwa 385 auf 985 Dollar pro Woche - ein Anstieg von 155 Prozent! Während ein Arbeitsloser in den USA in der Vergangenheit im Durchschnitt rund 41 Prozent seines bisherigen Gehaltes als Arbeitslosenunterstützung erhielt, steigt dieser Wert in Zeiten der Corona-Krise auf eindrucksvolle 105 Prozent. Für Niedrigverdiener bedeutet das in der Krise also: Ihr Arbeitslosengeld übersteigt das Gehalt, das sie vor der Krise erhielten. Zusätzlich gibt es für alle Amerikanerinnen und Amerikaner noch eine Einmalzahlung in Höhe von 1200 Dollar pro Erwachsenem und 500 Dollar pro Kind. Und das in den USA, dem "Hort des freien Kapitalismus".
In einer derartigen Krise ist aber offenbar nichts mehr so, wie es vorher war. Dinge, die bisher in den USA gänzlich unvorstellbar waren, sind plötzlich "no problem". Oder, wie es ein Kommentator unlängst beschrieben hat: "Die US-Arbeitsstätten wurden über Nacht zu einem skandinavischen Garten Eden." Sie haben leichtes Fieber und müssen zu Hause bleiben? Kein Problem, natürlich bei vollen Bezügen. Ihr Kind ist krank und braucht Sie dringend ein paar Tage zu Hause? Selbstverständlich. Es wäre für Sie leichter, die nächsten beiden Wochen von zu Hause aus vom eigenen Computer zu arbeiten? Aber natürlich.
Rückkehr des Systemszu den alten Regeln?
Ändert sich angesichts von Corona vor unseren Augen da gerade die amerikanische Psyche? Oder gar die Idee der USA? Hier ist Vorsicht geboten. Denn erstens sind die großzügigen Arbeitnehmer-Hilfsmaßnahmen vorerst einmal auf vier Monate begrenzt. Und wenn diese Maßnahmen nicht verlängert werden, dann kehrt das System zu den alten Regeln zurück.
Zweitens ist die Corona-Krise etwas ganz Außergewöhnliches: Wann hat es das schon je gegeben, dass Regierungen auf der ganzen Welt die Arbeitnehmer dazu auffordern, zu Hause zu bleiben und bitte, bitte nicht zur Arbeit zu gehen! Dieser Zustand kann und wird nicht lange andauern. Unter "normalen Umständen" - also außerhalb einer gerade explosionsartig wachsenden Pandemie - überlegt sich jede Regierung der Welt, wie sie bestmöglich Anreize schaffen kann, um möglichst viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Arbeit zu bewegen. Und nicht umgekehrt.
Und schließlich gleiche eine derartige Krise, so argumentiert etwa der angesehene Kommentator der "National Review", Dan McLaughlin, am ehesten einem Feuer: Wenn ein Feuer ausbricht, dann rufen die Hausbewohner natürlich umgehend die Feuerwehr. Diese dürfe dann auch, um das Feuer zu löschen, so ziemlich alles tun: durchs gesamte Haus laufen, Türen aufbrechen, Dinge beschädigen - kurzum: alles was nötig ist, um das Feuer zu stoppen. Aber dann, wenn sie mit ihrer Arbeit fertig ist, soll die Feuerwehr doch bitte auch wieder gehen. Denn es sei nie ausgemacht gewesen, dass sie nach dem "Brand aus" ins Haus einziehe und dort bleibe.
Was die USA - und andere Regierungen der Welt - angesichts der Corona-Krise verabschiedet haben, ist kein Stimulus-Programm, denn man will die Wirtschaft derzeit ja gar nicht stimulieren. Man will sie vielmehr ganz im Gegenteil auf ein Mindestmaß reduzieren, die Menschen dabei aber über Wasser halten. Die Corona-Hilfe ist auch kein Rettungsschirm für Unternehmen, die aus eigenem Verschulden in Not geraten sind. Denn niemand konnte eine derartige Krise kommen sehen und sich rechtzeitig darauf vorbereiten. Es geht bei den vielen rasch beschlossenen Maßnahmen vielmehr um Hilfspakete im Angesicht einer unvorhergesehenen Naturkatastrophe. Wenn diese aber vorbei ist - und der Tag wird kommen -, wird wohl in den USA wieder der Satz gelten: "Die neun furchteinflößendsten Worte der englischen Sprache sind: Ich komme von der Regierung, und ich bin hier, um zu helfen."