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Am 25. Jänner wird Werner Schneyder 70 Jahre alt. Im Gespräch zieht der Kabarettist, Schauspieler, Autor und Boxkommentator eine Bilanz all seiner künstlerischen und sonstigen Tätigkeiten.
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Wiener Zeitung: Im Nachwort Ihrer anlässlich Ihres 70. Geburtstages erschienenen Autobiografie "Ich, Werner Schneyder. Meine 12 Leben", lassen Sie durchklingen, dass Sie mit der Wahl des Titels nicht ganz glücklich sind. Werner Schneyder: Das ist richtig. Mein Titelvorschlag war: "Ich habe mich unterhalten." Aber bei der Verlagsvertretersitzung stieß der Vorschlag "Meine 12 Leben" auf so große Begeisterung, dass ich nachgeben musste.
Worin liegt das Problem?
Es ist nur ein Leben. Und die Pointe des Buches ist, dass sich dieses eine Leben aus verschiedenen Dingen - eben aus 12 Tätigkeitssträngen - zusammensetzt.
Weshalb vermeiden Sie so strikt das Wort "Beruf"?
Wenn jemand Ingenieur für Hoch- und Tiefbau wird, dann hat er einen Beruf. Wenn einer schreibt und singt, inszeniert und dichtet, dann hat er keinen Beruf, dann ist er im übertragenen Sinn ein Freelancer . Man lässt sich treiben, nimmt Herausforderungen an, legt sich Latten und springt lieber drüber, als unten durch zu laufen.
Sind Sie damit einverstanden, wenn man sagt, der gemeinsame Nenner all Ihrer Tätigkeiten ist die Sprache?
Ja, das ist die Sprache. Das hängt eben auch mit meiner persönlichen Entwicklung zusammen. Ich kann mich erinnern, dass ich als Kind über die Faszination von Formulierungen nachzudenken begonnen habe. Der Umgang mit Sprache war mir immer enorm wichtig.
Was von Ihren Eltern vorerst aber nicht goutiert wurde. Sie schreiben, dass Ihre Mutter um nichts in der Welt wollte, dass Sie Schauspieler werden.
Das wäre für sie furchtbar gewesen. Im Grunde sollte ich ja eine akademische Laufbahn einschlagen. Als meine Mutter alt war, habe ich zu ihr gesagt: "Wenn es nach dir gegangen wäre, dann wäre ich heute Oberregierungsrat." Daraufhin hat sie ganz scharf und böse geantwortet: "Hofrat wärst du, Hofrat!"
Mit anderen Worten: Sie haben von Beginn an Ihren Weg alleine bestritten, also ohne Unterstützung aus dem Elternhaus.
Ich glaube, kein Kind kann der Verpflichtung entrinnen, den Erzeugern und Erziehern zu beweisen, dass man was kann. Aber ich habe es immer gegen den Widerstand getan. Man hat mir immer misstraut und war der Meinung, von solchen Sachen, wie ich sie mache, könne man nicht leben. Als sich herausgestellt hat, dass ich sehr gut davon leben kann, wollte mans nicht glauben.
Was war die erste Tätigkeit, die zuhause auf Widerstand stieß?
Journalist ging ja noch und Werbetexter war durchaus akzeptiert. Aber als ich mit 23 als Dramaturg ans Theater nach Salzburg ging, war das für meine Mutter wie ein Todesurteil.
War da auch eine gewisse Trotzhaltung im Spiel?
Natürlich. Aber wenn wir jetzt schon dabei sind, ein psychologisches Gespräch zu führen: Sowohl meine Mutter als auch meine leider sehr früh verstorbene Großmutter haben ständig zu mir gesagt: "Wenn du dich nicht änderst, wirst du dich schön anschauen!" Daraufhin habe ich eines Tages beschlossen, mich nicht zu ändern. Ich wollte einfach wissen, ob man nicht auch über die Runden kommt, wenn man immer sagt, was man sich denkt, keiner Auseinandersetzung aus dem Weg geht und keinen Streit vermeidet. Ich dachte mir, das muss doch durchzustehen sein. Und siehe da, ich habe es durchgestanden.
Fazit: Sie sagen, was Sie sich denken?
Ja, mit allen Konsequenzen.
Was bisweilen im Feuilleton auf heftigen Widerstand stößt. Wie geht man damit um?
Ich habe das Glück, dass ich ein paar Fertigkeiten besitze, die sich verkaufen lassen. Ich kann Theater spielen, singen, inszenieren und kriege dafür Geld. Meine Leistung auf diesen Gebieten ist offenbar so gut, dass die Veranstalter nicht sagen, diesen Menschen kann man nicht engagieren, weil er beim Feuilleton unbeliebt ist, sondern sie sagen: man kann ihn engagieren, weil zu ihm genug Leute kommen. Es interessiert sich Publikum für mich, ich habe einen Aufmerksamkeitswert. Und das nütze ich schamlos aus. Denn: Was ist der Sinn einer Karriere? Der Sinn einer Karriere ist, dass man die Chancen ausnützt, die man dank ihr hat. Dazu gehört, der Welt seine Unabhängigkeit zu demonstrieren. Deswegen bin ich auch politisch nicht einzuordnen. Es gibt nur eine einzige Partei, die ich wähle, das ist die Schneyder-Partei. Und ich untersuche das politische Programm aller Parteien auf Annäherungswerte an mein Parteiprogramm. Wer meinem Parteiprogramm am nächsten kommt, kriegt meine Wählerstimme.
In welchem Bereich haben Sie Ihre Lust am Kritiküben am besten ausspielen können?
Auf jeden Fall im Journalismus. Ich habe fünf Jahre in München bei der "tz" politische Wochenkolumnen geschrieben. Aber selbstverständlich auch im Kabarett und natürlich im Privatleben. Privatleben und Beruf sind für mich keine getrennten Bereiche. Ich bin der Meinung, dass man schon in der Kleinzelle, in der Freundschaft, Positionen beziehen kann. Das sind dann jene Positionen, die man in weiterer Folge abarbeitet und formuliert, sozusagen auf den Punkt bringt, und die dann in der Kunst, in der Literatur, im Sketch oder im Lied ausgeformt werden.
Ihr Arbeitstag hört somit nie auf.
So gesehen hört er nie auf. Andererseits mache ich gerne Urlaub, aber auch diese Pausen sind immer Reflexionen. Es ist sehr wichtig, dass man in sich hineinhört und Selbstkritik übt. Dafür sorgt ja schon das Unterbewusstsein. Ich sage immer: Die Seele rülpst. Und dann überlegt man sich, was man noch besser machen müsste. Oder bemüht sich, den richtigen Zeitpunkt zu erkennen, um mit einer Sache aufzuhören.Hat das im Laufe Ihrer Karriere immer geklappt?
Ich habe keinen Gegenbeweis. Im Berufsboxen, mit dem ich ja auch zu tun gehabt habe, spricht man immer davon, dass einer einen Kampf zu viel hat, wenn ihm schon die Spucke aus dem Mundwinkel rinnt. Mir rinnt keine Spucke aus dem Mundwinkel.
In Ihrer Autobiografie steht der Satz: "Eros war die Triebfeder für all meine Tätigkeiten."
Das stimmt. Ich wollte immer gefallen. Und da ich nun einmal - ohne irgendein Vorurteil gegenüber anderen Lebensmodellen zu haben - ein Heterosexueller bin, wollte ich eben speziell Frauen gefallen.
Heißt das, dass Sie sich auch entsprechende Reaktionen erwarten?
Natürlich. Das nur Messianische liegt mir nicht.
Sie freuen sich somit tatsächlich über Publikumsreaktionen?
Ich freue mich nicht nur, ich lebe davon! Das ist mein Lebenselixier. Die schlimmsten Momente waren, wenn ich Fernsehsendungen gemacht habe, zuhause gesessen bin, und nach der Sendung hat niemand angerufen! An solchen Abenden ist es mir nicht gut gegangen. Zwei Tage später kamen die Zeitungskritiken, danach ist es mir wieder besser gegangen.
Feedback ist für Sie somit unverzichtbar?
Natürlich, ich bin ein öffentlicher Mensch. Ein öffentlicher Mensch, der behauptet, was die Öffentlichkeit sagt, sei ihm egal, ist entweder ein Lügner oder ein Idiot. Ich habe nichts gegen Eremiten. Das ist eine imponierende Lebenshaltung. Aber dazu muss man geboren sein. Ich bin es nicht.
Wie reagieren Sie auf negative Kritik? Stört Sie die?
Nein, überhaupt nicht. Man muss den Streit austragen.
Diskutieren Sie vor einer Publikation oder vor einem neuen Programm Ihre Texte auch mit anderen Menschen?
Ich war 43 Jahre verheiratet, meine Frau ist vor zwei Jahren gestorben. Sie war meine Hausdramaturgin. Ich glaube nicht, dass es irgendetwas gibt, das sie nicht als Erste gelesen hat.
Sie war sozusagen Ihr Korrektiv?
Ja, aber auf der Basis, dass ich ihr den kritischen Einwand nicht immer geglaubt habe. Kritikern gibt man ja nicht immer Recht. Aber allein schon die Tatsache, dass es Kritik gibt, setzt Misstrauen frei. Ich habe immer mit Bezugspersonen gelebt. Thomas Pluch, der ehemalige "extra"-Chef der "Wiener Zeitung", war beispielsweise auch ein Mensch, mit dem es einen sehr konstruktiven gegenseitigen Austausch gab.
Zur "Wiener Zeitung" haben Sie ja noch einen Konnex.
Das stimmt. Ich war während meiner Studienzeit freier Mitarbeiter der "Wiener Zeitung" und wurde zu Pressekonferenzen geschickt. Das war für mich ein wunderbarer Nebenjob.
Stichwort Kabarett: Wieso haben Sie sich hier das Limit gesetzt: Bis 60 und dann ist Schluss?
Der eine Grund ist, dass einige Dinge liegen geblieben sind; Theaterarbeit jedweder Art, ein bisschen Literatur, etc. Der zweite Grund ist, dass man spürt, wie man älter wird. Bei zwei Stunden Solo kann einem auf der Bühne ja auch schlecht werden. Und das wollte ich eben vermeiden. Das Dritte und Allerwichtigste aber ist, dass ich meine, politisches Kabarett ist eine vorweggenommene Abwehr gegen eine Zukunft, die einem zugemutet wird. Das heißt, wenn es so weiter geht, wird das in eine Richtung führen, gegen die ich mich wehren muss. Und ich sehe nicht ein, dass ich mich im Namen von 30-Jährigen wehren soll. Die sollen sich selber wehren!
Sie wollen lieber im Publikum sitzen und sehen, wie sich die jungen Kollegen auf der Bühne abkämpfen?
Genau. Und ich muss dazu sagen, dass es mittlerweile etliche junge Menschen gibt, bei denen ich wahnsinnig gerne im Publikum sitze.
Zum Beispiel?
Nein, ich nenne keine Namen. Aber es gibt gerade in Österreich eine Generation hervorragender junger Bühnensatiriker.
Fazit: Sie können im Kabarett lachen?
Und wie!
Apropos Lachen: Jacques Tati spielt für Sie doch auch eine große Rolle?
Er ist für mich der Typus des Komikers, wie ich ihn mir erträume. Ein intellektueller Komiker. Wenn Sie einen Tati-Film anschauen, dann kommen Sie drauf: Die Pointe ist der Schnitt, das Vorgedachte. Bauchkomik ist zwar auch was Schönes, aber nicht meine Sache.
Ab kommender Woche steht im Rabenhof Ihr Stück "Galanacht" auf dem Programm.
Ja, und das Stück läuft bis Ende März. Meine Partnerin ist Marion Mitterhammer, der Gegenspieler Oliver Baier. Ich inszeniere und spiele die Hauptrolle. Insgesamt sind wir zu sechst auf der Bühne.
Das hört sich nach einem konventionellen Theaterstück an?
Ja, doch mit einem kleinen Unterschied. Im Grunde ist es eine Charakterkomödie, und der Held ist ein Entertainer. Dadurch kann ich die Pointen des Kabarettisten Werner Schneyder einer ganz anderen Figur zur Verfügung stellen. Und was ganz wichtig ist: Das Stück ist immer tagesaktuell. Es gibt Szenen, wo Satire zum Tag gemacht wird. Ganz lebendiges Theater!
Speziell in Deutschland genießen Sie eine goße Popularität. Wie ist es erklärbar, dass ein Österreicher im deutschen Kabarett so gut ankommt?
Ich habe mich in Deutschland nie als Österreicher geriert, habe auch nie Dialekt gesprochen. Natürlich hört jeder Deutsche die andere Sprachmelodie, aber ich habe nie das Wienerische gepflegt. Prinzipiell muss ich allerdings sagen, dass das Berufsleben in Deutschland ein angenehmeres ist. Und ich habe mich immer glücklich geschätzt, dass meine Bühnenkarriere in München begonnen hat und ich dann als Arrivierter nach Österreich heimgekommen bin. Das hat die Sache erleichtert. In Österreich Karriere machen zu wollen, ist kein großes Vergnügen.Wie kam es dazu, dass Ihre Karriere in Deutschland begann?
Das war reines Glück, weil ich als Partner eines Stars begonnen habe. Ich habe mich ja nicht hochgedient, sondern ich wurde mit Dieter Hildebrandt im Duo-Kabarett zusammengespannt. Da gings von Null auf Hundert. Das war nicht mein Verdienst, das war seiner.
Wie viele Jahre haben Sie mit Dieter Hildebrandt zusammengearbeitet?
Acht Jahre. Danach kamen 14 Jahre Solokabarett. Insgesamt habe ich 22 Jahre Kabarett gemacht.
Das war von allen Tätigkeiten die längste, von Ihrer Sport-Faszination abgesehen.
Ja, ich werde immer wieder gefragt, wie diese Geschichte mit dem Sport zusammenpasst. Es passt eben zusammen. Sport ist ein wunderbarer Spiegel von Existenz, von Soziologie, von Ökonomie, und ist außerdem ein hoch sinnliches Vergnügen. Warum soll man also dem Sport fern stehen?
Begonnen hat bei Ihnen alles mit Fußball.
Ich werde nie vergessen, wie ich mit 12 Jahren meinen ersten Lederfußball bekommen habe. Was für Mädchen die Puppe ist, war für mich der Fußball.
Sie waren Tormann?
Ich hätte mir nie etwas anderes vorstellen können. Der Tormann ist Solist.
Danach kam das Boxen.
Erst wurde ich als Sportjournalist hingeschickt und habe nur Blödsinn geschrieben, weil ich nichts davon verstanden habe. Daraufhin hat ein Trainer in Klagenfurt mir die Sache von Grund auf erklärt. Dann ging ich ins Training und bin so diesem Sport nahe gekommen. Als Boxkommentator habe ich übrigens nicht nur gut verdient, sondern auch sehr viel von der Welt gesehen.
Sie schreiben in Ihrer Autobiografie, dass Sie in finanzieller Hinsicht drei lukrative Gelegenheiten ausgelassen haben: Erstens hätten Sie nach dem Tod Friedrich Torbergs die Nachfolge als Übersetzer Ephraim Kishons antreten können, zweitens hätten Sie Texter von Udo Jürgens werden können. Und drittens gab es noch das Angebot, das Musical "Cats" ins Deutsche zu übersetzen. Tut es Ihnen im Nachhinein leid, diese Chancen nicht genutzt zu haben?
Warum? Ich wüsste nichts, was ich mir kaufen wollte, was ich mir nicht ohnedies kaufen kann. Denn ich will kein Flugzeug und auch kein Schiff. Dass das Gros der Erfolgsmenschen nicht begreift, dass das letzte Hemd keine Taschen hat, dafür kann ich nichts. Für diese Art von Blödheit bin ich nicht verantwortlich.
Apropos Verantwortung: Gibt es für den Künstler Werner Schneyder Persönlichkeiten, die Ihr Denken geprägt haben?
Was bleibt, sind Autoren, die ich mit Sechzehn gelesen habe. Davon bleiben Formulierungen haften. Es sind weniger die Menschen, die ich ja nicht kenne, sondern es sind Sätze, die sie geschrieben und die mich geprägt haben.Zur Person:
Werner Schneyder wurde am 25. Jänner 1937 in Graz geboren und ist einer der bekanntesten österreichischen Künstler, nämlich als Kabarettist, Schriftsteller, Regisseur und Sportmoderator.
Nach seinem Studium der Publizistik und Kunstgeschichte in Wien war er zunächst als Journalist und Werbetexter tätig. Danach hatte er Engagements als Dramaturg an den Landestheatern Salzburg und Linz (1962 bis 65). Ab 1965 war Schneyder als freiberuflicher Autor und Regisseur für Radio und Fernsehen tätig. Ab 1974 ist er zusammen mit Dieter Hildebrandt als politischer Kabarettist in Deutschland aufgetreten. Er glänzte u.a. in Programmen der "Münchner Lach- und Schießgesellschaft", in "Talk täglich" (1974) und "Ende der Spielzeit" (1981). Seit 1982 trat er auch mit Solo-Programmen wie "Zwischentöne" auf, die in der Tradition des literarischen Kabaretts standen, sowie mit Chansons. Er gestaltete auch viele Kabarettprogramme gemeinsam mit Lore Lorentz, etwa ein Programm mit Chansons von Erich Kästner (vertont von Holger Münzer): "Zeitgenossen haufenweise". Von 1994 bis 96 spielte Schneyder sein letztes Kabarett-Programm: "Abschiedsabend".
Der promovierte Zeitungswissenschafter schrieb auch Erzählungen, Satiren, Gedichte, Romane sowie eine Biografie über Erich Kästner. Zuletzt ist seine Autobiografie, "Ich, Werner Schneyer. Meine zwölf Leben", erschienen (Amalthea Verlag, Wien 2006, 408 Seiten, 22,90 Euro).
Schneyder war Boxer und Ringrichter - und später Boxkommentator. Entsprechend fundiert und pointiert kommentierte er die Kämpfe für das (deutsche) Fernsehen. Legendär ist vor allem sein Satz, mit dem er jede seiner Übertragungen einleitete: "Liebe Box-Freunde, Box-Skeptiker, Box-Gegner".
Ab 24. Jänner tritt Werner Schneyder in seinem Stück "Galaabend" im Wiener Rabenhoftheater auf. (Informationen unter www.rabenhof.at)