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"Wesentliche Reformschritte sind gelungen, neue Herausforderungen sind anzugehen"

Von Dieter Lukesch

Wissen

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Die wissensbasierte Gesellschaft des kommenden Jahrhunderts lebt im Wesentli-chen von ihrem geistigen Kapital; Hochschulen und Universitäten tragen eine besondere Verantwortung um die Lösung von Zukunftsaufgaben, Studieren in Österreich ist auch Studieren für Österreich!

Gerade deshalb war die Wissenschaftspolitk der letzten vier Jahre von der Ab-sicht getragen, Reformen besonders für die universitäre Lehre und für die Stu-dierenden voranzutreiben, und hat diese auch umgesetzt.

Wissenschaftspolitik braucht eine langfristige und grundsätzliche Orientierung. Sie hat auch zu beachten, dass die Politik durch Gesetze nur Rahmenbedingungen schaffen kann, die den Professoren, Assistenten und Studentinnen und Studenten Möglichkeiten und Anreize bieten, sich an neue Herausforderungen anzupassen - und sich nicht im zentralistisch-bürokratischen Regelwerk der politischen Fein-steuerung und des Interventionismus zu verfangen. Die tragenden Prinzipien angesichts der Komplexität des "Wissenschaftsbetriebes" sind:

? "Autonomie und Selbstverantwortung",

? eine große Vielfalt des hochschulischen Angebots zur Sicherung der Chancen-gerechtigkeit und

? eine faire Mitwirkungsmöglichkeit all jener, die am Prozess des Studie-rens und an deren Ergebnisse in unserem Land teilnehmen.

Die Österreichische Volkspartei hat daher - ganz in der Tradition des UOG ´93 und der damit eingeführten Organisationsautonomie, die wir noch dem früheren Wissenschaftsminister und Vizekanzler Busek verdanken - sich stark für das neue Universitätsstudiengesetz 1997 eingesetzt und es auch umge-setzt. Auch wenn es die Oppositionsparteien mit ihren ablehnenden Voten im Nationalrat nicht wahrhaben wollen: Es war höchste Zeit auf das alte, schwerfäl-lige vierstufige Regelungsmonster Allgemeines Hochschulstudiengesetz (AHStG), auf besondere Studiengesetze, hunderte ministerielle Studienverordnungen und Studienpläne zu verzichten, und es durch ein autonomes Verfahren den Universitäten und studentisch gleichberechtigten Studienkommissionen zu erlauben, ihre Studienpläne selbst zu gestalten, Schwerpunkte und Profile zu bilden sowie bildungspolitischen Ballast abzuwer-fen. Wenn man es mit der universitären Autonomie ernst meint, so sind die Be-stimmungen des UniStG´97 die "habeus corpus acte" unserer Hohen Schulen , so wie das UOG´93 die "magna charta" der Hochschulen ist. Österreich verfügt heute über ein sehr liberales und flexibles Hochschulrecht, das in Europa seines gleichen sucht.

Dieses Recht lebt aber nur dann, wenn alle davon Betroffenen Gebrauch ma-chen, Studierende ebenso wie Hochschullehrer und Professoren; ihre Initiativen ersetzen künftig die "Weisheit des Ministers", dessen Rolle sich auf die Kon-trolle (Evaluierung) und den tätigen Einsatz für die Interessen der Universitäten und Hochschulen (Budget) sowie auf noch ausstehende Grundsatzentscheidun-gen konzentrieren kann.

Ich bin stolz darauf, dass sich unsere international höchst angesehenen Kunsthochschulen durch die Einbeziehung in UOG- und UniStG-Strukturen ge-genüber der Wissenschaft emanzipiert haben, und zwar als das was sie sind und sein sollen - als Freiräume zur Weiterentwicklung künstlerischer Begabungen.

Zur angestrebten und notwendigen Typenvielfalt gehört aber auch (Stichwort "Chancen für die Jugend") die Weiterentwicklung des Fachhochschulsektors, die Zulassung von Privatuniversitäten in Österreich - denn Wettbewerb mach stark - sowie die Möglichkeit, ein im europäischen Kontext vergleichbares und anerkanntes Bakkalaureats- und Master-Studium seitens der Universitäten anbie-ten zu können. Auch hier setzt die ÖVP auf Privatinitiative und den Ideenreich-tum der universitären Gremien und hat verhindert, dass "qua Vorschrift von oben" den Unis etwas zugemutet wird, was sie und die künftigen Beschäftiger der Absolventinnen und Absolventen unserer Universitäten nicht wollen.

Das gerade im internationalen Vergleich hervorragend ausgebaute Studienförde-rungssystem hat eine Reihe bemerkenswerter Weiterentwicklungen erfahren. Es wurden nicht nur die Stipendien erhöht und der Kreis der Anspruchsberechtigten ausgeweitet. "Studieren in Österreich" soll auch durch die Internationalisierung der Studien und Auslandsaufenthalte besser und länger gefördert werden können als bisher. Für Berufstätige und "Spätberufene" ist das Studienabschlussstipen-dium hinzugekommen, das potenziell im letzten und anstrengendsten Studienjahr die Konzentration auf die letzten Prüfungen und Abschlussarbeiten auch dann ermöglicht, wenn man durch Kindererziehung und Erwerbsarbeit nicht die Nor-malkarriere eines Studenten durchlaufen konnte. Unbefriedigend im Bereich der Stipendien bleibt aber, dass eine Jahresdurchrechnung des maximalen studenti-schen Hinzuverdienens neben dem Stipendium am Widerstand der Sozialmini-sterin scheiterte.

Aber: die Politik hat ebenso wie das "Spiel der Wissenschaft" kein Ende. Eine Reihe von Aufgaben warten auf den nächsten Wissenschaftsminister oder die nächste Bildungs- und Wissenschaftsministerin; Beispiele dazu wären:

? eine systematische Evaluierung der Forschung und der Lehre einschließlich der bislang misslungenen Studienstandortüberprüfung;

? eine Verstärkung der Internationalisierung der Studien und der Forschungs-aktivitäten unserer Universitäten;

? ein dem Wissenschaftsbetrieb besser angepasstes Dienstrecht, das stärker auf Motivation und Leistungsanreizen aufbaut als das jetzige Beamtendienstrecht der Hochschullehrer;

? ein oder mehrere Pilotprojekt/e zur Vollautonomie der Universitäten, anhand derer die Eignung von Leistungsverträgen, die die Universität mit dem Mini-sterium abschließen, auf ihre Effizienz hin überprüft werden kann;

? aber auch mehr budgetäre Mittel für die neuen Herausforderungen; sie wären insbesondere im Bereich der jungen Forschungstalente Österreichs einzuset-zen, um die Begabungsreserven jeder Generation besser als heute zu nützen (Graduierten- und Postgraduiertenplätze an der Uni);

? und letztlich auch: einen Ressortverantwortlichen oder eine Ministerin, die die Verbündete der Universitäten und der dort Handelnden ist, die sie heraus-fordert aber gleichzeitig auch fördert und gegen die zeitgeistigen Infrage-stellungen "wozu brauchen wir das?" vehement verteidigt.

Denn Chancen für die Jugend liegen vor allem auch in den Chancen der Bildung, der Wissenschaft und der Forschung, die Österreichs Rolle in der internationalen Wirtschaft, seinen kulturellen und politischen Stellenwert stärken. "Bildungs-weltmeister" auf dem universitären Sektor zu werden, ist sicher nicht leicht - aber sich für dieses Ziel einzusetzen, lohnt allemal.

Univ.-Prof. Dr. Dieter Lukesch ist Abgeordneter zum Nationalrat und Wissenschaftssprecher der ÖVP.