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Warum es völlig richtig ist, bei Bankenpleiten künftig auch die Sparer und Anleger zur Kasse zu bitten - anstatt immer nur den Steuerzahler.
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Es wird höchste Zeit, dass nicht immer nur die europäischen Steuerzahler zur Kasse gebeten werden, um Banken zu retten, sondern auch deren Aktionäre, Großgläubiger und Sparer (jenseits der von Einlagensicherungen geschützten Beträge natürlich). Zypern ist tatsächlich ein Modell für künftige Bankenkrisen und deren Bewältigung nach zumindest leidlich marktwirtschaftlichen und wirtschaftsliberalen Regeln. Dass Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem für diesen vernünftigen Vorschlag spontan Prügel aus halb Europa bezog, überrascht nicht. Erstens widersprach er damit zu 100 Prozent den handelsüblichen wohlfeilen Versprechen etlicher Regierungschefs, die Einlagen der Sparer seien sicher. Dass etwa Angela Merkel - vor den Bundestagswahlen - nicht rasend amüsiert ist, wenn Dijsselbloem ihre feierliche Garantie für das Geld der deutschen Sparer kurzerhand zu jener Makulatur erklärt, die sie eh immer war, ist nachvollziehbar. Und es ist vermutlich nicht der Gipfel staatsmännischer Klugheit, just am Höhepunkt einer Vertrauenskrise ins Finanzsystem den Sparern mögliche herbe Verluste statt der bisherigen Geld-ist-sicher-Garantien in Aussicht zu stellen. Wirklich beruhigend ist so etwas nicht wirklich, Dijsselbloems Timing war denkbar schlecht.
Trotzdem ist auch den Sparern und Anlegern die Wahrheit zumutbar, dass die permanente Rettung kaputter Banken zu Lasten künftiger Generationen von Steuerzahlern weder wirtschaftlich noch ethisch vertretbar ist - und deshalb molto flotto auf die Müllhalde der wirtschaftlichen Ideengeschichte gehört. Doch obwohl auch EU-Kommissar Michel Barnier neuerdings Dijsselbloems Forderung unterstützt, ist alles andere als sicher, dass die nationalen Regierungen der Eurozone in absehbarer Zeit den Überlegungen des Niederländers nahetreten werden - schon gar nicht vor der deutschen Wahl. Zu vermuten ist eher, dass bis auf weiteres auch künftige Krisenbanken und Krisenstaaten als angeblich unterschiedliche "Sonderfälle" behandelt werden, die nicht nach einem einheitlichen Konkursrecht abzuwickeln sind. Es gilt das Gesetz des Dschungels. Das ist so ziemlich das Gegenteil jener Herrschaft des Rechtes, die von der EU stets selbstgefällig für sich reklamiert wird. Wenn Sparer in Zypern zur Kasse gebeten werden, griechische aber nicht, spanische unter gewissen Bedingungen und jene der Hypo Alpe Adria gar nicht, dann ist das nicht Rechtsstaat, sondern schiere Willkür - die aber erfahrungsgemäß nicht wirklich attraktiv auf Geldanleger wirkt. Mit dem Wissen, ab einer Grenze von 100.000 Euro verlässlich und überall in der EU eben Gläubiger einer Bank mit allen damit verbundenen Risiken zu sein, wird gegebenenfalls jeder leidlich vernünftige Anleger besser leben können als mit dem ungewissen Status quo. Der bedeutet nämlich nichts anderes, als dass die Euro-Finanzminister, die nationalen Parlamente und die anderen Entscheidungsträger wie bei Zypern jedes Mal aufs Neue darüber feilschen, wem wie viel weggenommen wird. Von Rechtssicherheit ist das weiter entfernt als Zypern von Brüssel, solange sich Barnier und Dijsselbloem nicht durchsetzen.
ortner@wienerzeitung.at