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Der Ausgang der Wahlen in Rheinland- Pfalz und in Baden-Württemberg ist für die schwarz-gelbe Koalition in Berlin ein Debakel - zeichnet sich doch das Ende der Regierungskoalition ab. Den 180-Grad-Schwenk in der Atompolitik nimmt der Kanzlerin niemand ab. Die Grünen haben dieses Thema exklusiv besetzt. Und das Thema Atomkraft hat eine lange Halbwertzeit und wird auch die anstehende Bundestagswahl überdauern.
Das Siechtum der Regierungskoalition ist eng mit der Person von Außenminister Westerwelle verbunden. So vermeldete die Deutsche Presseagentur noch vor der Veröffentlichung der ersten Wahlergebnisse am Sonntag, dass Guido Westerwelle auf keinen Fall von seinem Amt als Außenminister zurücktrete - ebenso wenig, wie er seinen Posten als Parteivorsitzender räumen würde. Aussagen, die sich nur aus der Person und deren politischem Autismus heraus erklären lassen. Westerwelle hat sich selbst demontiert, er wird in der Öffentlichkeit nur noch als Totengräber dieser Regierung wahrgenommen. Und das nicht erst seit den jüngsten Wahlen. Die Amtsführung dieses Politikers ist vom ersten Tag der schwarz-gelben Koalition an von dunklen Wolken verhangen. Erinnert sei an das jüngste Dreikönigstreffen der FDP in Stuttgart. Schon da lag die FDP in der Wählergunst unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde, einzelne Ausreißer - wie jüngst in Hamburg - ändern nichts an dem Abwärtstrend.
Die FDP droht ihre Funktion als Mehrheitsbeschaffer der CDU/CSU auf Bundesebene einzubüßen. Westerwelles holzschnittartige Wahrnehmung der politischen Stimmungslage im Land gipfelte unlängst noch in der Feststellung "Ich gehe nicht von der Brücke, wenn es stürmt". Vermutlich glaubte er tatsächlich, dass die Menschen das von ihm erwarten. In der Person Westerwelles spiegelt sich die Tragik eines Menschen, der den Zeitpunkt seines strategischen Rückzuges zum Wohle der Partei verpasst hat und in Kauf nimmt, dass seine Verdienste um die Freien Demokraten im Sandstrahlgebläse der öffentlichen Meinung Schaden nehmen. Die FDP hatte mit ihren politischen Spitzenpersonal in der jüngeren Vergangenheit - von Ausnahmen wie Sir Ralf Dahrendorf und Hans-Dietrich Genscher abgesehen - kein besonderes Glück.
Guido Westerwelle, der die Partei im Wahljahr 2009 mit veritablen 14,6 Prozent in die Wunschkoalition mit der CDU/CSU geführt hat, ließ von Anfang an keine Gelegenheit aus, zu polarisieren. Als Außenminister störte es ihn dabei wenig, in der Innenpolitik zu holzen. Westerwelle eröffnete Nebenkriegsschauplätze überall dort, wo die FDP in der öffentlichen Wahrnehmung zu verblassen drohte. Mehr "Netto" vom "Brutto" sollte es sein, Leistung sich lohnen und die Steuern sinken. Doch dem Dirigenten Westerwelle verweigerte sich das Orchester. Der versuchte mit Aggressivität Reste freidemokratischer Wahlversprechen durchzusetzen. Die Taktik, unzufriedene CDU-Wähler ins Lager der Freien Demokraten zu ziehen, ging nicht auf. Der Vorsitzende redete sich ins Abseits. Die Wikileaks-Veröffentlichungen über Westerwelle wirkten da nur noch wie welker Zierrat.
Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz haben gewählt - die Strahlwirkung der Ergebnisse auf Berlin ist unbestritten. Kanzlerin Angela Merkel weiß das, sie kann kein Interesse daran haben, in den Schatten der Negativumfragewerte ihres Stellvertreters zu geraten. Im Hut kann sie ihn nicht verschwinden lassen und auf seine Selbsterkenntnis bauen kann sie auch nicht. Westerwelle kann das Ruder in eigener Sache nicht mehr herumreißen, selbst wenn die Basis ihm applaudiert - es ist ein verlogener Applaus. Die Demontage Westerwelles ist in vollem Gange und auch nötig - nur wer überbringt ihm die Botschaft?