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Westerwelle scheut weiterhin vor Libyen-Einsatz zurück

Von Georg Friesenbichler

Politik

Medien-Kritik an Außenminister. | Unbeliebte Auslandseinsätze.


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Berlin. "Peinlich" und "zynisch" sehen deutsche Kommentatoren die jüngsten Äußerungen von Außenminister Guido Westerwelle. Nachdem es monatelang um ihn recht ruhig gewesen war, freute er sich nun über den Sieg der libyschen Rebellen gegen das Regime von Muammar Gaddafi. Die rüden Kommentare verdiente er sich dabei damit, dass er diesen als Verdienst der deutschen Außenpolitik darzustellen versuchte. Die Sanktionspolitik der Bundesregierung "war augenscheinlich erfolgreich". Zur Rolle, die die Nato-Bombardierungen gespielt haben, merkte er lediglich an, dass es vieles gegeben habe, "was gewirkt, geholfen hat".

Neuerlich ist in den Medien von einer "Schlappe der deutschen Außenpolitik" die Rede, wie schon im März, als sich die Berliner Koalition von Union und FDP dazu entschloss, sich im UNO-Sicherheitsrat bei der Libyen-Resolution der Stimme zu enthalten. Man stelle sich damit gegen den Rest der westlichen Nationen, meinten damals Kritiker, auch wenn Westerwelles Linie ziemlich exakt der Stimmung in der Bevölkerung entsprach: 62 Prozent der Befragten waren für eine Intervention gegen Gaddafi, aber 65 Prozent waren gegen eine Beteiligung der Bundeswehr daran. Auch die Bundesregierung argumentierte so - man sei zwar für den Einsatz, wolle aber nicht daran teilnehmen. Man sehe "erhebliche Gefahren und Risiken", sagte Westerwelle damals.

Afghanistan schreckt ab

Gemeint war damit vor allem der mögliche Einsatz von Nato-Bodentruppen, ein Szenario, das im März nicht auszuschließen war. Westerwelle schreckte wohl nicht wegen des historischen Beispiels, in dem deutsche Truppen von "Wüstenfuchs" Erwin Rommel auf libyschem Boden gegen die Briten kämpften, davor zurück, sondern weil der FDP-Politiker Afghanistan als warnendes Beispiel vor Augen hatte.

Der dortige Einsatz kam spätestens in Verruf, als ein deutscher Oberst im Jahr 2009 den Befehl zu einem Luftangriff auf zwei entführte Tanklastwagen bei Kunduz gab. Dutzende Zivilisten kamen dabei ums Leben, Ex-Verteidigungsminister Franz Josef Jung musste wegen seiner Vertuschungsversuche als Arbeitsminister, der er in der Zwischenzeit geworden war, zurücktreten. Insgesamt sind in dem Krieg am Hindukusch bisher mehr als 50 deutsche Soldaten gestorben, zwischen 60 und 70 Prozent der Bevölkerung sind laut Umfragen gegen das Engagement im fernen Land. Angesichts dessen äußerte auch SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier nach dem Enthaltungsbeschluss, dass das Abstimmungsverhalten der Deutschen in der UNO zu Libyen "verständlich und nachvollziehbar" wäre.

Nun hat der Einsatz von Bodentruppen in Libyen, abgesehen von ausländischen "Beratern", nie stattgefunden, und auch die Bedenken gegen die Nato-Luftangriffe, die in Deutschland zwischenzeitig wegen der langen Dauer des Kampfes in Libyen aufgetaucht waren, sind mit den Erfolgen der Rebellen wieder aus den Köpfen von Politikern und Journalisten verschwunden. SPD und Grüne üben wieder Kritik.

UNO soll nicht rufen

Westerwelle bleibt die Blamage, und die Aussicht, doch noch deutsche Truppen nach Libyen entsenden zu müssen. Bisher gibt er sich zurückhaltend und verweist darauf, dass es bisher kein Mandat dafür gebe. International wird aber bereits erwogen, dass ein UNO-Kontingent zu Friedenssicherung dienen könnte, wenn nach dem endgültigen Fall Gaddafis ein blutiger Machtkampf zwischen den jetzt noch vereinten Rebellengruppen droht. Sollte die UNO den Ruf ergehen lassen, würde sich der Außenminister trotz seiner geäußerten Skepsis wohl schwer erneut verschließen können. Verteidigungsminister Thomas de Maiziere von der CDU hat eine "konstruktive Prüfung" eines solchen Antrags bereits zugesagt.

Auch er äußerte allerdings die Hoffnung, dass es gar nicht so weit kommen würde. Denn schon jetzt stehen 7200 deutsche Soldaten im Auslandseinsatz. Die Kapazitäten der Bundeswehr reichen kaum über diese Marke hinaus. Und mit der Heeresreform sind Einsparungen nötig.