FDP-Vorsitzender stimmt Liberale auf Wahlen ein. | Berlin. Die Rede des angeschlagenen deutschen FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle bei der traditionellen Dreikönigskundgebung seiner Partei war mit übermenschlichen Erwartungen aufgeladen worden. Westerwelle, der den Liberalen 2009 ihren größten Sieg bei Bundestagswahlen eingebracht hatte, befindet sich seit Monaten bei Meinungsumfragen im freien Fall und reißt auch die FDP unter die Fünf-Prozent-Hürde. Am Dreikönigstag sollte nun der Parteichef seine Truppe aus dem Stimmungstief ziehen und gleichzeitig sein politisches Überleben gegen Umtriebe aus den eigenen Reihen absichern.
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Ob ihm dies gelungen ist, wird sich erst bei den kommenden Landtagswahlen erweisen, vor allem am
27. März in Baden-Württemberg, einem Stammland der Liberalen. Zunächst ist der dortige FDP-Spitzenkandidat Ulrich Goll beim Dreikönigstreffen am Wort. In seiner launisch-besinnlichen Rede bezeichnet er die Grünen als "fanatische Unschuldslämmer", während Generalsekretär Christian Lindner in ihnen das "Trojanische Pferd in der Demokratie" sieht und damit die Stimmung im vollbesetzten Stuttgarter Staatstheater anheizt.
Es ist nicht leicht für den Parteivorsitzenden, dieses Rede-Feuerwerk zu toppen. Um 12.21 Uhr betritt Westerwelle die Bühne. Die Nervosität ist dem wie immer gestylten Außenminister anzumerken. Kleine Versprecher, eine vibrierende, dünne Stimme, ein konventioneller "Dank fürs Kommen" - das ist alles andere als ein brillanter Einstieg. Doch da kommt ihm ein Geschenk des Himmels zu Hilfe: Im obersten Rang des Theaters entrollen jugendliche Demonstranten ein Protestplakat gegen "Stuttgart 21". Westerwelle kontert so geschickt, dass er die Lacher auf seiner Seite hat und die Jugendlichen verstummen.
Dann entfaltet er kämpferisch und selbstbewusst sein ganzes rednerisches Können und schafft es, dass sich die Zahl der Applause verdichtet. Der FDP-Mann warnt vor der "Zukunftsverweigerung" der Linken, vor einem neuen Aufkeimen der Staatsgläubigkeit und vor einer "Renationalisierung". Europa sei die einzig gültige Antwort auf die Globalisierung.
Inhaltlich vermittelt er drei Botschaften: Erstens trügen die Erfolge der schwarz-gelben Koalition in Berlin eindeutig die mittelstandsfreundliche Handschrift der FDP. Zweitens seien diese Erfolge bereits am Wirtschaftswachstum und am Arbeitsmarkt abzulesen. Drittens brauche Deutschland eine liberale Partei, die als einzige die bürgerliche Mehrheit sichern und eine linke Mehrheit verhindern könne.
Nach gut siebzig Minuten erntet Westerwelle stehende Ovationen. Sein Ansehensverlust und die Krise der gesamten FDP sind nicht zur Sprache gekommen. Es war eine starke Motivationsrede, aber keine selbstkritische Analyse, wie es sich einige in der Partei erwartet hätten.