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Westeuropa am Gazprom-Grill

Von Engelbert Washietl

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Der Autor ist Vorsitzender der "Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor Wirtschaftsblatt, Presse, und Salzburger Nachrichten.

Putins Besuch in Wien machte klar, dass von einer Minderung der EU-Abhängigkeit vom russischen Gas keine Rede ist. Für Österreich ist das keine Überraschung.


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Weil schon wieder einmal von einer österreichischen "Drehscheibe" die Rede ist, die diesmal in Baumgarten an der March zu finden sei, wird vorsorglich vor einem Missverständnis gewarnt: Die geplante Erdgasleitung "South Stream" ist kein russisch-österreichisches Monsterprojekt von 24 Milliarden Euro, sondern ein Gemeinschaftsunternehmen des russischen Erdgasgiganten Gazprom und des italienischen Energiekonzerns Eni.

Das ist auch daran erkennbar, dass der russische Premier Wladimir Putin bei seinem mit sportlichen Sonderinteressen verbundenen Kurzbesuch in Wien dem österreichischen Bundeskanzler Werner Faymann zwar schöne Worte spendete, aber kein Angebot machte, dass dieser etwa Aufsichtsratschef von "South Stream" werden könnte, falls er einmal innenpolitisch entsorgt würde.

Ein solches Offert soll hingegen schon im April 2008 der scheidende italienische Ministerpräsident Romano Prodi bekommen haben, der aber, unbestätigten Zeitungsberichten zufolge, ablehnte. Ganz anders hatte sich 2005 der deutsche Kanzler Gerhard Schröder verhalten, nachdem seine rot-grüne Koalition in einer Wahlniederlage untergegangen war. Er wurde Aufsichtsratsvorsitzender des Aktionärsausschusses der "North Stream"-Gasleitung und lebt seither sehr gut davon.

Putin lässt nützliche Freunde nicht darben, Widersacher trifft hingegen die Gewalt seines Zorns. Das bekamen die Ukrainer und in unmittelbarer Folge sogar die völlig unschuldigen Europäer zuletzt im Jänner 2009 zu spüren, als Russland die Gaslieferungen einfach abdrehte. Der Schock in Westeuropa war groß und die Beschwörungen, dass man dagegen etwas tun müsse, laut. Getan haben aber nur die Russen etwas.

Vor wenigen Wochen wurden in der Nordsee die ersten Erdgasröhren versenkt, mit denen die kostbare Energie ab 2011 direkt aus Russland nach Europa geführt werden soll ("North Stream"). Mittlerweile gewinnt auch die Südverbindung ("South Stream") durch das Schwarze Meer und die Türkei nach Italien mit einem Nebenast in das österreichische Verteilerzentrum Baumgarten Projektreife. Die Russen nehmen somit Europa von oben und unten energiepolitisch in die Zange. 2015 sollen die ersten von jährlich 63 Milliarden Kubikmeter Gas in Südeuropa ankommen.

Damit wächst die Abhängigkeit von Russland. Historisch gesehen dürften sich die Österreicher am wenigsten davor fürchten. Abgesehen von ihren negativen Erfahrungen mit den sowjetischen Besatzern, die bis 1955 die Ölfelder ausgebeutetet hatten, machten sie nachher relativ gute Erfahrungen mit den Russen. 1968 schloss die OMV als erstes westeuropäisches Unternehmen einen Liefervertrag mit der UdSSR. Österreichs Energiehaushalt ist längst bei der Spitzenmarke angekommen, die Putin am Samstag rühmend erwähnte: 70 Prozent des Erdgases stamme aus Russland, und das sei gut.

Ist es das? Ja, so lange das Russen-Gas kommt. Auf jeden Fall sollte aber auch die OMV in ihrem Bemühen unterstützt werden, die "Nabucco"-Pipeline zu verwirklichen, selbst wenn dabei Lieferungen aus dem Iran einzukalkulieren sind. Wer weiß schon, wie die derzeit bedrohliche Geschichte im Iran weitergeht? Die neue Gasleitung wäre wenigstens eine Maßnahme, um die einseitige Abhängigkeit Westeuropas von den Russen etwas zu dämpfen.

Der Autor ist Sprecher der

"Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor "Wirtschaftsblatt",

"Presse" und "Salzburger Nachrichten".