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Westsahara - Der vergessene Konflikt

Von WZ-Korrespondent Günther Bading

Politik

Die UNO verlangt Selbstbestimmung, Marokko gibt nur Selbstverwaltung. | Rabat/Madrid. Mit aufgerissenen Augen und offenem Mund steht die neunjährige Minetu am Rand des Swimmingpools in Cartagena. Sie umklammert hilfesuchend die Hand ihrer nur ein Jahr älteren Schwester Fatima. So viel Wasser haben die beiden Mädchen noch nie gesehen. Denn sie kommen aus den Flüchtlingslagern bei Tindouf in der südalgerischen Wüste. Mit 30 anderen kleinen Saharauis sind sie von spanischen Familien zu Sommerferien an der Mittelmeerküste eingeladen worden. Das Programm, das jedes Jahr hunderten von Flüchtlingskindern für zwei Monate die Flucht aus dem Elend im Wüstenlager ermöglicht, heißt "Ferien in Frieden."


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Von Frieden träumen die Saharauis in Nordwestafrika seit 32 Jahren vergeblich, seit sich Spanien 1975 aus seiner Kolonie zurückgezogen hat. Frieden, das würde für die 102.000 Flüchtlinge die Rückkehr aus den algerischen Lagern in ihre Heimat Westsahara bedeuten. Und für die dort noch Lebenden die Befreiung von der Zwangsverwaltung durch Marokko.

Neue Verhandlungen

Verhandlungen über die Zukunft von Westsahara werden seit Jahrzehnten geführt. Zuletzt unter dem Dach der Vereinten Nationen in Manhasset bei New York im Juni. Am 10. und 11. August sollen die Verhandlungen zwischen der Exilregierung der Saharauis, der Polisario-Front, und Marokko weitergehen.

Die Marschroute dieser Gespräche hat König Mohammed VI. von Marokko vorgegeben. Er sei bereit, über die Zukunft der einstigen spanischen Kolonie zu verhandeln. Allerdings "nur über die Autonomie, die ganze Autonomie und nichts weiter als die Autonomie."

So sagte der Monarch zum achten Jahrestag seiner Thronbesteigung. Für den Chef der Polisario, Mohamed Abdelaziz, bedeutet das ein Ende der Verhandlungen noch vor deren Beginn. Abdelaziz benutzt in seiner französischen Rede das deutsche Wort "le diktat", was korrekt übersetzt "Willkürakt" bedeutet. Denn die Vereinten Nationen verlangen seit Jahren eine Volksabstimmung über die Selbstbestimmung des sahauranischen Volkes. Aus der "autodetermination" wurde im Sprachgebrauch der Regierung in Rabat ganz schnell "autonomie". Also Selbstverwaltung, statt Selbstbestimmung. An dieser Haltung ist schon der ehemalige US-Außenminister James Baker gescheitert, der im Auftrag der UNO die von Algerien unterstützte Polisario und Marokko versöhnen sollte. Die zweite Version des Baker-Plans sieht zwar eine Autonomie der von Marokko besetzten Westsahara vor, aber nach vier bis fünf Jahren eine freie und demokratische Volksabstimmung. Die 380.000 heute dort lebenden Menschen sollten dann bestimmen, ob sie unabhängig werden oder sich freiwillig als autonomes Gebiet mit Selbstregierung nach Muster eines deutschen oder österreichischen Bundeslandes Marokko anschließen wollen.

Marokko blockt ab

Von dieser freien Entscheidung will Marokko nichts wissen. Denn für den jungen König steht die Westsahara voll und ganz unter marokkanischer Souveränität. Er stützt sich auf die Vereinbarung mit Spanien, nach dessen Rückzug aus der Kolonie. Die sozialistische Regierung in Madrid spricht sich ebenfalls für die Autonomie-Lösung aus, obwohl die Sozialistische Internationale soeben erst die Selbstbestimmung der Saharauis forderte.