Dem Staat sollte jedes Schulkind gleich viel wert sein. | 50 Prozent der britischen Elite gingen in Privatschulen. | Wien. Die Konkurrenz im Schulwesen wird schärfer, der Sektor der Privatschulen gewinnt an Boden, denn die Bereitschaft der Eltern nimmt zu, immer mehr für eine gute Bildung ihrer Kinder auszugeben. Diese Entwicklung wurde auf dem Symposium "Privatschulen - Ergänzung oder Konkurrenz" der Österreichischen Gesellschaft für Schule und Recht in Wien thematisiert.
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Das heimische Schulwesen leide unter sehr komplizierten Rahmenbedingungen, denn es beruhe, so der Salzburger Rechtswissenschafter Walter Berka, auf einem "unsystematischen Konglomerat von Normen aus unterschiedlichen Epochen". Der Staat habe sich per Verfassungsgesetz dazu verpflichtet, Qualität und Einheit der Bildung zu sichern, doch der Pluralismus habe einem auf Einheit angelegten Bildungssystem den Boden entzogen.
Österreichs Privatschulen, insbesondere die konfessionellen, unterschieden sich, so Berka, kaum von öffentlichen Schulen. Das geltende Recht unterwerfe alle Schulen starken "Input-Kontrollen" (Lehrpläne, Lehrinhalte und Methoden seien angeglichen), wichtiger wäre ein Übergang zu verstärkter Ergebniskontrolle und mehr echter Schulautonomie.
In diese Kerbe schlug auch die Wiener Stadträtin Katharina Cortolezis-Schlager (ÖVP), die im heutigen Schulwesen "viel zu viel Bürokratie" ortet und einen "fairen Wettbewerb" zwischen allen privaten und öffentlichen Schulen forderte. Sowohl private als auch öffentliche Schulen sollten sich Lehrer und Schüler aussuchen können, dass die Auswahl zu homogen ausfallen könnte, befürchtet sie nicht: "Jede Schule muss das Interesse haben, sich heterogen aufzustellen, sonst verhindert man das wichtige Voneinander-Lernen der Schüler."
Der Salzburger Bildungsforscher Günter Haider, bekannt als Pionier der Pisa-Studie in Österreich, wies darauf hin, dass in Alternativschulen viele pädagogische Konzepte erstmals erprobt worden seien. Die Pisa-Studie, die, wie Haider betonte, bestimmte Kompetenzen, aber nicht Bildung messe ("weil niemand genau weiß, was Bildung ist"), sei kein Beleg dafür, dass Privatschulen besser seien:
Natürlich hätten sie im Durchschnitt mehr Punkte, wie auch AHS mehr Punkte als Hauptschulen hätten, um das aber als Leistung der Schule zu bestätigen, müsste man klären, wie weit die Ausgangssituation der Schüler (Bildungsstand der Eltern) der getesteten öffentlichen und privaten Schulen vergleichbar sei.
Kleine Alternativschulen
Gab die Statistik Austria gleichzeitig bekannt, dass der Anteil der Privatschüler an der Gesamtschülerzahl auf 8,9 Prozent gestiegen sei, so legte Christine Mann, Leiterin des Schulamtes der Erzdiözese Wien, eine Statistik vor, wonach 14,6 Prozent der österreichischen Schulen einen privaten Schulerhalter haben, ein gutes Drittel davon seien konfessionelle Einrichtungen. Privatschulen sind des öfteren kleiner und umfassen daher einen geringeren Schüleranteil.
Monika Momo Kreutz, Geschäftsführerin des Netzwerks Freier Schulen, dem reformpädagogische Anstalten (Montessori, Waldorf etc.) mit insgesamt rund 4000 Schülern angehören und die von öffentlichen Stellen nur minimal gefördert werden, schnitt am deutlichsten das Thema Schulgeld an. Es seien oft Alleinerzieherinnen, die an den nicht-konfessionellen Alternativschulen rund 300 Euro pro Monat bezahlten, weil ihnen das die Bildung ihres Kindes wert sei. Dem Staat sollte jedes Kind gleich viel wert sein, egal in welche Schule es gehe, war auf dem Symposium mehrmals zu hören. Es gehe aber nicht an, dass Privatschulen alle Freiheiten bei Lehrplan, Methodik, Auswahl der Schüler und Lehrer und Einfordern von Schulgeld erhalten und auch noch genauso wie die öffentlichen Schulen dotiert würden, wo das alles nicht möglich sei.
35.000 Euro pro Jahr
Das Symposium erlaubte auch einen Blick in die Welt. In Großbritannien, so die britische Bildungsexpertin Eleanor Byram, ist der Run auf Privatschulen ungebrochen. Offiziell sind alle "public schools" (öffentliche Schulen), haben aber mehr oder weniger oder gar keine staatliche Förderung, wer aus der "Öffentlichkeit" in welche Schule geht, bestimmt die Brieftasche, wobei die Briten für eine gute Schule zu großen Opfern bereit sind, oft auch zum Wechsel des Wohnortes.
Nur sieben Prozent betrage der Anteil echter "independent schools" (unabhängige Schulen), so Byram, aber daraus gingen 50 Prozent der Top-Hochschulabsolventen hervor. Und wer im britischen Wirtschafts- und Politikleben zur Elite aufsteigt, hängt oft von den Netzwerken ab, die sich aus Absolventen der berühmten Schulen bilden. Ein Platz im ehrwürdigen Eton College, das meist auch die männlichen Mitglieder des Königshauses besuchen, kostet pro Jahr die Kleinigkeit von 26.000 Pfund (35.000 Euro). Das britische öffentliche Schulwesen sei in der Krise, sagte Byram. Wichtig für eine Schule sei ein guter Platz im Ranking, also lerne man speziell auf die entsprechenden Tests hin. Aber echte Bildung sehe anders aus.