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Wetten, dass das EuGH-Urteil zum Glücksspiel missverstanden wird?

Von Konstanze Walther

Analysen

Das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) ist ein Phänomen. Die Streitparteien - auf der einen Seite die privaten Anbieter, auf der anderen die staatlichen Monopolisten - sehen nämlich beide einen Etappensieg in ihrem Sinne.


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Die Aktien des österreichischen Internet-Wettanbieters Bwin legten acht Prozent zu; die Gesellschaft selbst feiert per Aussendung ihren Erfolg, und auch die Europäische Vereinigung der privaten Wettenanbieter (EBA) hofft, "dass damit die Strafverfolgungen aufhören", da ja auch die Strafe für die Gesellschaft in Italien ausgesetzt wurde.

Der österreichische Monopolist Casinos Austria sieht hingegen ein "Waterloo für Liberalisierungsbefürworter". Der EuGH habe in seinem Urteil präzisiert, dass zugelassene Betreiber, somit auch nationale Monopole, "attraktive Alternativen" zu illegalen Glücksspielen sowie "eine breite Palette von Spielen" anbieten müssen, womit auch ein entsprechender "Werbeumfang" und der "Einsatz neuer Vertriebstechniken" zulässig seien.

Aber sowohl die eine als auch die andere Ansicht erweisen sich als falsch. Die nun als ungerechtfertigt abgeurteilte Strafverfolgung war eine Spezialität der italienischen Rechtslage: Damals durften Kapitalgesellschaften keine Konzessionen erwerben. Nach einer EuGH-Rüge wurde die Gesetzeslage geändert, das alte Verfahren gegen den Betreiber blieb aber aufrecht. Dass dies sinnlos ist, hat der EuGH nun wenig überraschend klargestellt. Sonst bleibt der EuGH in seinem Urteil generell: Ob die grundsätzliche Beschränkung im italienischen Recht (Konzessionssystem für Glücksspiele) zulässig ist, müssen die nationalen Gerichte anhand der Sachlage prüfen, die in diesem Fall nicht Gegenstand des EuGH-Urteils war.

Auch sonst kann man Österreich und Italien nicht vergleichen. Italien gibt als Beschränkungsgrund die Kriminalitätsbekämpfung an, in Österreich ist es die Spielsuchtprävention - beides anerkannte Rechtfertigungen, wenn sie der tatsächliche Grund und in der Umsetzung zielführend sind.

Italien darf aufgrund seines Systems Werbung machen, um die Spieler auf das legale Angebot hinzuweisen.

Die Casinos Austria irren aber mit ihrer Aussendung, dass auch sie ihr Angebot entsprechend marktschreierisch bewerben müssen.

Denn das taugt für Konzessionssysteme, deren Daseinsberechtigung die Betrugsbekämpfung ist - aber nicht für staatliche Monopolisten wie in Österreich, die sich allein aus der Suchtprävention rechtfertigen.

Nur damit der Staat nicht um Steuereinnahmen umfällt (die Casinos Austria sind zusammen mit den österreichischen Lotterien zweitgrößter Steuerzahler des Landes), darf man laut EuGH jedenfalls kein Monopol aufrechterhalten. Auch in Italien wird übrigens nun von den Gerichten im Auftrag des EuGH geprüft, ob Betrugsbekämpfung der tatsächliche Grund ist oder nur ein vorgeschobener - und es in Wahrheit um die Steuereinnahmen geht. 25