Ein arbeitsrechtliches Reformwerk ist fast fertig, fiel aber am Montag in die Tiefkühltruhe. Die Ausrufung einer Glacialperiode nützt niemandem.
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Die journalistische Arbeitswelt muss an veränderte technische, gesellschaftliche und unternehmerische Herausforderungen angepasst werden. Laut Hermann Petz, dem Chefverhandler der im "Verband österreichischer Zeitungen" (VÖZ) vertretenen Zeitungsverleger, wurde seit April 2009 in 31 Verhandlungsrunden um dieses Ziel gerungen. So lange streitet man nicht bloß um Überstunden und Zeitausgleich, sondern um moderne, den Mindestansprüchen des Arbeitsrechtes genügende Rahmenbedingungen. An beidem mangelt es nämlich.
Plötzlich hat jedoch VÖZ-Unterhändler Petz, der ähnlich wie der Gewerkschaftsvertreter Franz C. Bauer den Abschluss in greifbarer Nähe dargestellt hatte, die Verhandlungen abgebrochen. Das ist ein Knall, wenn man bedenkt, was auf dem Spiel steht. Es sollen zwei schwer benachteiligte Gruppen von Medienmitarbeitern mit den angestellten Journalisten einigermaßen gleichgestellt werden, nämlich "freie Mitarbeiter" sowie die wachsende Zahl von Personen, die ihre journalistische Leistung digital erbringen. Diese zwei Gruppen von Arbeitnehmern werden manchmal finanziell und sozialrechtlich erbärmlich ausgenützt.
Nach dem Eklat fliegen wechselseitige Beschuldigungen durch die Gegend. Auf der einen Seite wird Gewerkschaftler Bauer als der hingestellt, der in der Endrunde einen Gehaltspoker wagt, andererseits Petz als der, der Ultimaten stellt und schließlich die Verhandlungen einseitig platzen lässt. Zumindest die letzte Behauptung stimmt, wobei Petz offiziell verbreiten lässt, dass die aufgetretene Diskrepanz einer Maus gleicht: "Bei der Höhe der Gehälter lagen die Vorstellungen der Verhandlungsteilnehmer lediglich 50 bis 150 Euro auseinander", erklärte er. Journalisten leben in einer bescheideneren Welt als AUA-Piloten.
Die jährliche Generalversammlung des Zeitungsverbandes VÖZ findet am heutigen Donnerstag statt, zum Krach bei der Kollektivvertragsrunde kam es vier Tage vorher. So ein Zufall. Nicht alle Verbandsmitglieder waren mit dem Verhandlungskurs einverstanden. Ist die konstruktive Mehrheit von Arbeitgebern, die die Verhandlungen guthieß, inzwischen gekippt?
Diese Mehrheit ging offensichtlich von der realistischen Annahme aus, dass das neue Vertragswerk auch die Planungssicherheit der Zeitungs- und Zeitschriftenverlage erhöhen würde. Denn in der Vergangenheit wurden ja die APA und der "Kurier" zu warnenden Beispielen, dass plötzlich Abgesandte der Sozialversicherung an die Tür klopfen und kontrollieren, wie viele Schein-
Selbständige voll im Betrieb integriert sind und deshalb angestellt werden müssen. Dass andererseits auch die Journalisten größtes Interesse haben, sicherzustellen, dass ihre journalistische Leistung im multimedialen Zeitalter nicht grußlos irgendwo versickert, ist verständlich.
Es gibt nur einen glaubwürdigen Ausweg. Nicht "zurück an den Start", sondern zurück bis vor den vergangenen Montag - und schlussverhandeln.
Das Gesicht verliert nur, wer sich dem verweigert.