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Wettlauf der Pipelines

Von Georg Friesenbichler

Politik

Nabucco-Projekt steht wegen mangelnder Zulieferung auf der Kippe.


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Wien. Wenn Heinz Fischer im Ausland unterwegs ist, begleitet ihn oft eine große Wirtschaftsdelegation. Denn der Bundespräsident kann (vor allem in autoritär regierten Staaten) als "Türöffner" dienen, weil mit Unterstützung des Staatsgastes leichter wirtschaftliche Gespräche geführt und Geschäfte angebahnt werden können. Die Reise Fischers nach Aserbaidschan und Turkmenistan, die heute, Dienstag, beginnt, berührt freilich Interessen, die weit über Österreichs Wirtschaft hinausreichen. Es geht nämlich um die Sicherung der europäischen Energieversorgung und damit verbundene Projekte. Und damit landet man in einem Spiel um Macht und Geld.

Im Mittelpunkt steht das Nabucco-Projekt, eine Gaspipeline, die von der Türkei über osteuropäische Länder bis ins niederösterreichische Baumgarten an der March führt, wo das zentrale Verteilerlager der OMV liegt. Die OMV ist auch Initiator des Vorhabens, das im Juni mit "Projektunterstützungsabkommen" der fünf Transitländer (Österreich, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Türkei) bekräftigt und ausgeweitet wurde. Für die EU zählt Nabucco zu den fünf wichtigsten Projekten des Programms "Transeuropäische Netze", weil sie nicht mehr nur von russischem Gas abhängig sein will - sie nennt das Diversifizierung der Energieimporte. Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, der in Fischers Delegation dabei sein wird, meinte, Gas werde nicht zuletzt durch den deutschen Atomausstieg eine wichtige Überbrückungsfunktion übernehmen.

Die Pipeline soll die reichen Erdgasvorkommen am Kaspischen Meer nutzen, über die neben Kasachstan eben Aserbaidschan und Turkmenistan verfügen. Und genau da spießt es sich. Denn Nabucco hat Konkurrenz durch zwei andere Südosteuropa-Pipelines. Neben Nabucco bewerben sich die Transadriatische Pipeline, die von Griechenland bis Süditalien führt, und die Türkei-Griechenland-Italien-Verbindung (ITGI) um das aserische Gas. Beim von Russland betriebenen South-Stream-Projekt nach Südosteuropa liegt noch nicht einmal eine Machbarkeitsstudie vor.

Nabucco sucht verzweifelt den Gasanschluss

Bis zum 1. Oktober konnten die Bieterkonsortien ihre Angebote abgeben, bis zum Ende des Jahres soll sich Aserbaidschan entscheiden. Experten glauben, dass ITGI die besten Chancen hat. Denn einen Teil seiner Gasreserven hat Baku bereits an Russland verkauft, und für die neuen Vorräte aus dem Shah-Deniz-II-Gasfeld, das 2017 den Betrieb aufnehmen soll, ist Nabucco überdimensioniert. Denn mehr als ein Drittel des Volumens von 16 Milliarden Kubikmeter ist schon mit der Türkei kontraktiert, es bleiben maximal 10 Milliarden für Europa über. Nabucco ist indessen auf 31 Milliarden Kubikmeter ausgelegt.

Rechnen würde sich das Projekt also nur mit Gas aus Turkmenistan, das über weit mehr Reserven verfügt. Der Weg des Gases müsste aber über das Kaspische Meer nach Aserbaidschan führen, will man nicht den politisch riskanten Weg über den südlich gelegenen Iran wählen. Ein Transport per Schiff käme teuer, aber die transkaspische unterseeische Pipeline, von der seit Jahren die Rede ist, würde wegen der Geologie noch mehr kosten.

Russland lobbyiert gegen europäisches Projekt

Zudem können alle Anrainerstaaten des größten Sees der Erde, die sich seit dem Ende der Sowjetunion über Grenzfragen streiten, Einspruch erheben. Dass Russland dies tun würde, ist abzusehen. Denn der vom Staat gesteuerte Konzern Gazprom, der als Export-Monopolist Gas nach Europa liefert, versucht alles, um Projekte, die mit russischem Gas konkurrieren, zu behindern. So wurde im Liefervertrag mit Aserbaidschan der Gasverkauf zum Weltmarktpreis festgelegt - ein Verlustgeschäft für die Russen.

Auch in Turkmenistan hat sich die Gazprom schon mehr als 50 Prozent der Gasreserven gesichert. Als neuer Abnehmer sind aber zu Russen und Europäern auch die Chinesen getreten. Die Volksrepublik, die sich ihrerseits von russischen Lieferungen unabhängig machen möchte, hat mit den Turkmenen die Lieferung von 30 Milliarden Kubikmeter Gas vereinbart - also gerade so viel, wie auch Nabucco benötigen würde.

Selbst wenn sich die Wünsche der Europäer erfüllen, droht ein Nadelöhr die Gaslieferungen zu blockieren. Bis zum türkischen Erzurum, wo Nabucco startet, soll nämlich die Shah-Deniz-Pipeline die Zulieferung aus dem kaspischen Raum besorgen. Diese versorgt allerdings schon die Türkei und kann außerdem nur ein Drittel der Gasmenge transportieren, die Nabucco benötigt. Noch dazu führt sie, ebenso wie die parallel verlaufende Baku-Tiflis-Ceyhan-Pipeline, über Georgien - auch nicht gerade ein Hort politischer Stabilität.

Der Nordirak als neue Zuliefer-Hoffnung

Kein Wunder also, dass OMV-Generaldirektor Gerhard Roiss, der sein Unternehmen stärker von Öl auf Gas umstellen will, immer wieder auch Zulieferungen aus dem Nordirak ins Spiel bringt. Die OMV und die gleichfalls an Nabucco beteiligte ungarische MOL haben im dortigen Kurdengebiet 10-Prozent-Anteile an zwei Gas-Produktionsfirmen erworben. Bisher sind einschlägige Abkommen aber an Konflikten zwischen der kurdischen Regionalregierung und der Zentralregierung in Bagdad gescheitert.

Der Irak hat außerdem mit dem Iran und Syrien ein Memorandum über eine eigene Gaspipeline unterzeichnet. Teheran, das nach Russland über die zweitgrößten Gasreserven der Welt verfügt, beeilte sich, sie als Konkurrenz zu Nabucco darzustellen - ein Revanchefoul dafür, dass es bei Nabucco nicht mitmachen darf. Die EU hat eine Beteiligung ausgeschlossen, solange der Streit über das iranische Atomprogramm anhält. Experten geben der "islamischen Pipeline" zwar wenig Chancen, das Abkommen könnte dennoch hinderlich sein.

Das kommende Jahr ist das entscheidende

Die nächsten Jahre würde das Gas außerdem für die eigene Versorgung benötigt, hieß es aus dem irakischen Ölministerium. Es wird allerdings auch noch einige Zeit brauchen, bis Nabucco fertig ist. Der Baubeginn wurde wegen der nicht gesicherten Versorgung schon mehrmals verschoben, das erste Gas soll statt ursprünglich 2014 nun ab dem Jahr 2017 fließen.

Die Europäer drängen jedenfalls auf eine endgültige Entscheidung über das ehrgeizige Projekt. Minister Mitterlehner meinte im Vorfeld des Besuchs in Aserbaidschan und Turkmenistan, bei dem er "transparentes politisches Lobbying" betreiben will, dass bei Nabucco nicht ewig zugewartet werden könne. Die ursprüngliche Annahme, dass Angebot eine Nachfrage schaffe und man nur noch Kontingente versteigern müsse, habe sich nicht bewahrheitet. Mitterlehner: "2012 erwarte ich mir eine Entscheidung."

Das Konsortium für den Bau der Nabucco-Pipeline besteht aus der OMV, der deutschen RWE, der ungarischen MOL, der türkischen Botas, der Bulgarian Energy Holding und der rumänischen Transgaz. Kürzlich meldete auch die Bayerngas ihr Interesse an einer Teilnahme an. RWE sichert sich doppelt ab - kürzlich beschloss der Konzern eine Kooperation mit der russischen Gazprom. Ein weiterer deutscher Energieriese, e.on, ist an der konkurrierenden Transadriatischen Pipeline beteiligt.

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