Die Wearables-Technologie boomt und stellt Hersteller vor neue Herausforderungen.
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Wien. Vor wenigen Jahren galten Wearables noch als Spielzeug für Technik-Nerds und Fitness-Freaks, heute trainiert kaum ein Hobbysportler ohne seinen digitalen Coach am Handgelenk. Die Wearables-Technologie boomt und entsprechend groß ist das Angebot an Fitnessarmbändern, Smart Watches und Bewegungs-Apps. Experten schätzen, dass die Umsätze mit tragbaren Geräten und elektronisch gedopter Kleidung in Europa zwischen 2015 - dem Jahr, als die erste Apple Watch in Deutschland über den Ladentisch ging - und 2020 rund 3,7 Milliarden Euro betragen werden.
Weltweit werden Wearables in diesem Zeitraum umgerechnet 16,62 Milliarden Euro einspielen. "Am Wearables-Markt herrscht Goldgräberstimmung, aber die Zeiten, in denen ein neuer Fitness-Tracker kommerziellen Erfolg garantierte, sind vorbei", bremst Mirko Warschun, Experte des Marktanalysten A.T. Kearney, allzu große Erwartungen.
A.T.Kearney hat in einer Studie mit dem Titel "Coach. Physician. Friend" die drei wichtigsten Trends von Wearables untersucht. Längst sind neben bekannten Sportmarken wie Adidas oder Nike und Geräteherstellern wie Garmin oder Fitbit, auch Anbieter wie Apple und Google im Bereich Wearables aktiv. Mit ihren hochpreisigen Smart Watches erlauben sie ihren Nutzern nicht nur die Erfassung von Trainings- und Vitalwerten, sondern auch eine umfassende Vernetzung. So kann der Freizeitsportler unterwegs Anrufe annehmen, E-Mails checken und auf Location Based Services wie Landkarten zugreifen.
Zu viel des Guten
Doch das ist für manche User womöglich schon zu viel des Guten. In einer Online-Befragung des Meinungsforschungsinstitut Mindshare gaben 70 Prozent der Befragten an, dass Wearables für sie als Fitnesstracker am interessantesten seien. Neben der Erfassung von Trainingseinheiten waren für die Umfrageteilnehmer außerdem nur gesundheitsbezogene Daten wie Ernährung oder Schlaf wichtig. Auch die Verkaufsziffern von Smart Watches und Fitness-Armbändern zeigen einen eindeutigen Trend. Laut Erhebungen der International Data Cooperation (IDC) ist alles, was mit Fitness zu tun hat und nicht zu teuer ist, stark nachgefragt, während die Verkaufszahlen von Smart Watches rückläufig sind. So hat Marktführer Apple mit seiner Apple Watch im zweiten Quartal 2016 ein Minus von 56,7 Prozent hinnehmen müssen, während der Gesamtmarkt um 26,1 Prozent zulegen konnte. Aber auch die traditionellen Sportmarken wie Adidas oder Nike müssten sich neu ausrichten, wenn sie vom Boom profitieren wollen, ist man bei A.T. Kearney überzeugt. "Wer sich als klassischer Sportausrüster Marktanteile sichern will, muss jetzt drei Dinge beachten: Fokussierung, Digitalisierung und strategische Allianzen", rät Warschun.
Zwar habe Adidas mit der Übernahme der Lauf-App Runtastic für 220 Millionen Euro 2015 einen ersten Schritt gemacht, doch das sei nicht genug. "Die große Herausforderung besteht jetzt darin, eine schlüssige Digitalstrategie zu entwickeln", meint Warschun. Statt sich mit ständig neuen Produkten in den verschiedensten Bereichen zu verzetteln, müssten sich "die Unternehmen auf etablierte Märkte fokussieren und die erfassten Kundendaten als Wertschöpfungsquelle kapitalisieren". Im Fall Adidas heißt der Fokus Laufen und Fußball.
Handlungsbedarf gibt es auch im Bereich strategischer Allianzen - etwa mit Anbietern aus der Sparte Virtual Reality. "Wie wir am Erfolg von Pokémon Go sehen, haben immer mehr Menschen Spaß an immersiven Spielen", stellt Imran Dassu, Co-Autor der Studie, fest. "Mit seiner unangefochtenen Marktposition im Profifußball könnte Adidas zusammen mit markenstarken Partnern wie Bayern München oder Manchester United in neue Dimensionen vordringen."
App für Erstdiagnose
Große Erwartungen werden nach wie vor in den boomenden Markt der Fitness- und Gesundheits-Apps gesetzt. Laut einer Studie des Beratungsunternehmens Roland Berger ist es vor allem das Segment für mobile Dienste mit einem jährlichen Wachstum von über 40 Prozent, das die Digitalisierung der Gesundheitsbranche vorantreibe. Durch die kontinuierliche Erhebung von Vital-Werten wie Blutdruck, Körpertemperatur und Schlafgewohnheiten bestehe künftig die Möglichkeit, bestimmte Krankheiten schon im Frühstadium festzustellen, glauben Roland Berger-Experten. Smartphone-Apps sollen künftig Erstdiagnosen erstellen können und den Usern bei Bedarf einen Arztbesuch oder gleich die passende Medikation empfehlen.