Merkel und Sarkozy erwarten von Barroso "richtige" Entscheidungen. | Allianz gegen EU-Kommissionschef ohne Chance. | Brüssel. Der Wettlauf um Top-Jobs für die nächste EU-Legislaturperiode gewinnt langsam an Fahrt: So gut wie sicher wird Kommissionspräsident José Manuel Barroso beim EU-Gipfel am kommenden Freitag für weitere fünf Jahre nominiert. Dass noch nicht geklärt scheint, wie rechtsverbindlich dieser Schritt gemacht werden soll, ändert daran nichts.
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Deutlicher Fingerzeig
Der französische Präsident Nicolas Sarkozy und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel waren gegen Ende der Woche die ersten Staats- und Regierungschefs, die sich offen hinter den Portugiesen und die rasche Bestätigung seiner Neubewerbung gestellt hatten. Die beiden machten jedoch auch klar, dass sie im Gegenzug die "richtigen" personellen und inhaltlichen Entscheidungen erwarteten. Unverblümt erklärte Sarkozy, dass er seinen derzeitigen Landwirtschaftsminister Michel Barnier für einen ganz ausgezeichneten künftigen EU-Kommissar halte. Merkel hielt sich mit der Nennung konkreter Namen noch zurück, dementierte jedoch, dass Innenminister Wolfgang Schäuble nach Brüssel geschickt werden soll. Beide machten klar, dass der jeweilige Kandidat des anderen volle Unterstützung erhalten werde.
"Klare Entscheidung"
Offen blieb weiter, in welcher Form Barroso die Unterstützung ausgesprochen werden soll. Es werde sich laut Diplomaten um eine "relativ klare Entscheidung" handeln. Scheinbar läuft es darauf hinaus, dass am Ende die EU-Rechtsgrundlage beim Amtsantritt der neuen EU-Kommission maßgeblich sein soll. So könnte die Übergangsphase vom derzeit geltenden Nizza-Vertrag auf jenen von Lissabon übertaucht werden. Dessen Inkrafttreten wird weithin für Spätherbst erwartet.
Bis dahin kollidiert offensichtlich der politische Wille für Barroso mit dem geltenden Nizza-Vertrag. Denn der verlangt einen Beschluss über die Verkleinerung der EU-Kommission vor der rechtsverbindlichen Bestellung des neuen Präsidenten. Manche nennen diesen Widerspruch auch "unterschiedliche Rechtsauffassungen" oder "theoretische Überlegungen", für die der juristische Dienst der Mitgliedsstaaten eben eine Lösung finden müsse.
Unabhängig von der Form der Unterstützung für Barroso beim EU-Gipfel wird die Entscheidung Mitte Juli wohl vom EU-Parlament bestätigt. Dort ist inzwischen das Rennen um den neuen Parlamentpräsidenten angelaufen. In der Europäischen Volkspartei (EVP), die auch Barroso stützt, gelten der polnische Ex-Premier Jerzy Buzek von der Bürgerplattform und der Italiener Mario Mauro aus dem "Volk der Freiheit" von Italiens Premier Silvio Berlusconi als aussichtsreichste Kandidaten.
Vor allem Grünen-Chef Daniel Cohn-Bendit versucht eine Allianz gegen Barroso zu schmieden. Doch alleine mit den seit der EU-Wahl dezimierten Sozialisten geht sich die Blockade nicht aus. Und EVP-Fraktionschef Joseph Daul hat seinem Kollegen Martin Schulz von der Sozialistischen Partei (SPE) Europas bereits den Parlamentsvorsitz für die zweite Hälfte der kommenden Legislaturperiode angeboten. Auch das könnte der SPE ein wenig helfen, sich im Juli für weitere fünf Jahre Barroso zu entscheiden.