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Whistleblower noch weitgehend ungeschützt

Von Martin Eckel und Julia Lörincz

Recht

Heuer muss die EU-Whistleblower-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt werden - ein Gesetzesentwurf liegt noch nicht vor.


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Bis 17. Dezember 2021 muss Österreich die Whistleblower-Richtlinie der EU in nationales Recht umsetzen. Spätestens dann sind nicht nur private Unternehmen, sondern auch öffentliche Stellen, wie unter anderem Gemeinden und Universitäten, verpflichtet, interne Meldekanäle einzurichten. Diese sollen Hinweisgebern ermöglichen, Missstände offenzulegen.

Die Richtlinie sieht dabei strenge Anforderungen insbesondere in Bezug auf die Vertraulichkeit der Identität des Hinweisgebers vor. Zudem müssen private wie auch öffentliche Arbeitgeber künftig vor allfälligen Repressalien, wie etwa Kündigungen oder Mobbing, schützen, die Hinweisgebern oftmals aufgrund der Offenlegung von internen Missständen drohen. Ziel ist es, die Transparenz im privaten und öffentlichen Sektor zu erhöhen und vermehrt Missstände aufdecken und verhindern zu können.

Richtlinie nimmt viele in die Pflicht

Obwohl derzeit noch kein Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Richtlinie in Österreich vorliegt, bereiten sich viele private Unternehmen schon jetzt auf die neue Rechtslage vor. Während große Unternehmen und Konzerne bereits interne Meldekanäle als Teil ihres Compliance-Management-Systems implementiert haben, besteht insbesondere für Klein- und Mittelunternehmen (KMU) noch Aufholbedarf. Die Richtlinie nimmt nämlich nicht nur "die Großen" in die Pflicht, da Unternehmen bereits ab 50 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen die neuen Vorgaben erfüllen müssen. Jedoch endet die Umsetzungsfrist für Unternehmen mit 50 bis 249 in Bezug auf die Errichtung von Meldekanälen erst am 17. Dezember 2023. Kleinere Unternehmen haben für die Implementierung somit zwei Jahre länger Zeit.

In Österreichs öffentlichem Sektor hatten bisher nur ganz wenige Behörden ein eigenes, internes Whistleblowing System implementiert. Zwar hat etwa die Finanzmarktaufsicht, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft und die Bundeswettbewerbsbehörde webbasierte Meldekanäle eingerichtet, diese stehen aber externen Meldern zur Verfügung. Durch die Richtlinie werden nun sämtliche juristischen Personen des öffentlichen Sektors auch verpflichtet, ein internes Meldesystems einzurichten. Eine Erleichterung sieht die Richtlinie diesbezüglich lediglich für Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern oder weniger als 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor. Sie können vom nationalen Gesetzgeber von der Pflicht ausgenommen werden.

Stadt Wien als Gemeinde mit Vorreiterrolle

Die Stadt Wien hat eine Vorreiterrolle eingenommen und bereits vor kurzem öffentlichkeitswirksam ihre neue webbasierte Whistleblower-Plattform präsentiert. Diese ermöglicht eine anonyme Eingabe von Meldungen und richtet sich an alle städtischen Mitarbeiter sowie an Kundinnen oder Vertragspartner der Stadt Wien. Für die Entgegennahme und die Bearbeitung der Hinweise ist die Gruppe Interne Revision und Compliance der Stadt Wien zuständig. Gemeldet werden sollen vor allem Hinweise auf Korruptions- und Wirtschaftsdelikte sowie schwerwiegende Compliance-Verstöße. Das System schafft die Verbindung scheinbarer Gegensätze: "Anonymität" und "Dialog". Die Hinweisgeber entscheiden darüber, ob sie ihre Meldungen anonym abgeben möchten und ob sie zusätzlich einen geschützten Postkasten einrichten möchten. Der geschützte Postkasten ermöglicht es der bearbeitenden Stelle, allfällige Rückfragen zu stellen.

Das von der Stadt Wien ausgewählte, webbasierte System gilt als "Best Practice" und erfüllt jedenfalls die Anforderungen der Whistleblower-Richtlinie. Diese besagt, dass grundsätzlich schon ein Briefkasten oder E-Mail-Postfach ausreichen würde, wenn die Identität des Hinweisgebers gewahrt werden kann. Generell ist es jedoch durchaus sinnvoll, Meldekanäle für Mitarbeiter und auch Dritte so attraktiv wie möglich zu gestalten. Potenzielle Hinweisgeber stehen nämlich immer vor der Wahl, Meldungen intern abzugeben oder sich direkt an die zuständige (Strafverfolgungs-)Behörde zu wenden, womit der betroffenen juristischen Person eine zunächst interne Sachverhaltsaufklärung verwehrt bleibt. Auch die Whistleblower-Plattform der Stadt Wien steht in Konkurrenz zum schon erfolgreich implementierten Meldekanälen der Behörden.

Effektives Tool zur Erhöhung von Transparenz

In den Jahren 2017 und 2019 belegte Wien unter den 50 österreichischen Städten und Gemeinden mit den meisten Einwohnern Platz eins im "Index Transparente Gemeinde" von Transparency International. Mit der Whistleblower-Plattform soll Compliance-Verstößen vorgebeugt, oder sie sollen zumindest frühzeitig aufgedeckt werden, um damit das Vertrauen in Politik und Verwaltung zu stärken.

Auf den ersten Blick mögen die Vorgaben der Whistlebower-Richtlinie insbesondere für KMU und kleinere Gemeinden umfangreich und herausfordernd erscheinen. Die Vorteile, die interne Meldekanäle mit sich bringen, dürfen dabei jedoch nicht außer Acht gelassen werden. Neben einer erhöhten Transparenz innerhalb des Unternehmens können frühzeitig intern aufgedeckte Missstände nämlich sowohl finanzielle Schäden als auch Reputationsschäden verhindern.