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Wiar a Hünderl sein’ Herrn

Von Judith Belfkih

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Leider wieder und immer noch aktuell: Wie sähe der Alltag mit Deutschpflicht in der Pause an einer Linzer Schule aus? Ein Gedankenexperiment.

Tag 1: Auf dem Schulhof herrscht also Deutschpflicht. Strikt. Lehrer und eigens ernannte Schüler-Kontrolleure durchstreifen den Pausenraum. Lauschen in jede noch so kleine Gruppe. Undercover wird auch hineingehorcht in das muntere Plaudern. Es kann nie zu viele Spitzel geben. Für die gute Sache, versteht sich. Wir wollen den armen Kindern ja nur helfen, sich besser zu integrieren. Das bisschen Kontrolle? Sind ja nur Kinder. Fällt ein unverständliches Wort, ertönt Alarm. War das etwa Türkisch, Serbokroatisch, gar Arabisch? Oder Vorarlbergerisch? Und ist das dann erlaubt? Verstehen die anderen Kinder ja auch nicht. Zur Buße müssen die Kinder die Bundes- oder Landes-Hymne singen. "I am from Austria" gilt nicht. Da kommt Englisch vor. Unpatriotisch.

Tag 10: Es ist still geworden auf dem Schulhof. Irgendwo erklingt ein einsames "Hoamatland, Hoamatland! / han di so gern / Wiar a Kinderl sein Muader, / A Hünderl sein’ Herrn." Die Aussprache ist etwas holprig. Selbst die Deutsch sprechenden Kinder unterhalten sich nur leise. Nur nicht auffallen. Wer weiß. Alle anderen reden lieber gar nicht mehr. Sie sind heiser vom vielen Singen. Kein nicht-deutsches Wort ward vernommen. Ein voller Erfolg. Auf der ganzen Linie.

Dass Kinder möglichst bald und gut Deutsch lernen, um in Österreich ankommen zu können, steht außer Frage. Ihnen jedoch auf dem Weg dorthin ihre Muttersprache zu verbieten, hat nur einen Effekt: Sie verstummen.