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Vorsitzende Gabriela Moser zieht eine Zwischenbilanz. |Sie fordert mehr Durchgriffsrechte und Entkoppelung von Strafverfahren.
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"Wiener Zeitung": Wie geht es Ihnen nach mehr als einem halben Jahr und 42 U-Ausschuss-Sitzungen? Rostet Ihr Fahrrad schon?Gabriela Moser: Dem Fahrrad geht es gut, das parkt vor der Tür des Parlaments. Ich will nicht sagen, dass der U-Ausschuss ein Jungbrunnen ist, aber der Mensch ist sehr anpassungsfähig.
Dieser U-Ausschuss hat weit mehr Ergebnisse - Stichwort: Medientransparenzgesetz, Transparenzpaket - gebracht als die vorigen . . .
Diese Gesetze sind wahre Grundsteine für eine korruptionsfreie Politik. Jetzt kann niemand mehr sagen, dass nichts festgelegt und daher alles erlaubt ist. Die "Landschaftspflege" à la Telekom, Porr und Mensdorff-Pouilly wird künftig strenger geahndet.
Sie sind sich also sicher, dass der U-Ausschuss diesmal tatsächlich langfristige Auswirkungen hat?
Ja, natürlich.
Waren irgendwelche Erkenntnisse wirklich überraschend?
Die Facetten und Details sind täglich neu. Die Parteispenden von über einer Million Euro vonseiten der Telekom in Richtung BZÖ waren uns allen nicht bekannt. Neu war mir die Gefälligkeitskultur der Telekom. Bei der Buwog waren die Details neu, dass immer wieder der Ex-Minister (Karl-Heinz Grasser, Anm.) maßgeblich die Fäden vor Entscheidungen gezogen hat. Dass so dilettantisch beim Behördenfunk vorgegangen wurde, konnte man sich nicht in der blühendsten Phantasie ausmalen.
Wo sehen Sie die Tiefpunkte?
Ein Problem ist die mangelhafte Geschäftsordnung, die dem Vorsitz nur wenige Möglichkeiten einräumt. Ich bin immer wieder auf den guten Willen der Kollegen im Ausschuss angewiesen. Tiefpunkte sind die manchmal ungerechtfertigten Entschlagungen der Auskunftspersonen. Ich kann da nichts machen. Die einzige Möglichkeit wäre eine Beugestrafe, das ist nur in ganz gravierenden Fällen sinnvoll.
Wenig Durchgriffsrechte haben Sie als Vorsitzende auch bei Streitigkeiten zwischen den Abgeordneten - zum Beispiel zwischen Ihrem Parteikollegen Peter Pilz und Stefan Petzner vom BZÖ.
Ich wünsche mir, dass diese interfraktionellen Dispute einfach nicht erlaubt sind, dass ich sie sofort abdrehen kann. Aber die Hackelwerfereien sind im Vergleich zu anderen U-Ausschüssen sehr zurückhaltend.
Worauf führen Sie das zurück? Auf Ihre strenge Hand?
Prinzipiell sind alle an Aufklärung interessiert und nicht am ständigen Kräftemessen. Ich habe zuletzt öfter die Sitzung unterbrochen, weil ich nicht einsehe, dass die Öffentlichkeit als Bühne für Kindereien verwendet wird.
Die Kindereien kamen aber teilweise auch von den Auskunftspersonen wie von Alfons Mensdorff-Pouilly. Wird das Gremium ausreichend respektiert?
Ich glaube nicht, dass es Mensdorffs Absicht war, den Ausschuss despektierlich zu behandeln. Ich habe eher den Eindruck gewonnen, dass es Teil seiner Persönlichkeit ist, Situationen immer ins leicht Groteske abgleiten zu lassen. Nach Mensdorffs Befragungen riss im Ausschuss ein Klima des Blödelns ein, dadurch bleibt die Würde des Ausschusses auf der Strecke.
Welche Möglichkeiten soll es da in der Geschäftsordnung geben?
Mein Hauptanliegen ist, dass endlich die zwischen allen Parteien bereits ausgearbeitete Reform der Geschäfts- und Verfahrensordnung in Richtung strengerer Regeln und Einsetzung von U-Ausschüssen als Minderheitenrecht beschlossen wird. Ich wünsche mir ein verbindliches Reglement zu Fragezeiten, den Umgang miteinander und die Herbeischaffung von Beweismitteln. Dass sich die Auskunftspersonen entschlagen, wenn sie Beschuldigte in einem Gerichtsverfahren sind, ist problematisch. Das ist für die Ausschussarbeit schwierig, aber elementares Verfahrensrecht, das zu akzeptieren ist. Ich fordere da aber eine Entkoppelung des Untersuchungsausschusses von Strafverfahren. Das ist sicher fast unmöglich, aber vielleicht gibt es noch einen Weg.
Warum geht bei der Frage der U-Ausschüsse als Minderheitenrecht nichts weiter?
Die SPÖ will nicht. Konkret will Kanzler Werner Faymann keine regelmäßigen U-Ausschüsse. Das ist ihm anscheinend unangenehm. Diese Haltung kann ich nicht akzeptieren. Sinnvoll wäre auch, den Unterausschuss des Rechnungshofes in Hinblick auf Wahrheitspflicht und Öffentlichkeit zu reformieren.
Für Peter Pilz sind die Ergebnisse typisch für die Grasser-Ära. Ist das nicht einfach eine Machtfrage? Wären die Grünen nicht betroffen, wenn sie in der Regierung wären?
Die Grünen sind in Oberösterreich, Wien und in einigen anderen Städten in der Regierung, da gibt es keine Korruptionsfälle. Es ist eine Frage der Handhabung dieser Verantwortung.
Die Grünen sind also vor Korruption gefeit, weil sie anders mit der Macht umgehen?
Ja. Wir haben eher den Gestaltungsanspruch, dass wir Gesetze zum Wohle der Allgemeinheit ändern wollen. Es ist wenig bis gar nicht das persönliche Streben nach Geld, Macht oder Positionen.
Das klingt aber sehr idealistisch.
Wir sind halt Idealisten. Wäre ich zur ÖVP oder zur SPÖ gegangen, wäre ich sicher schon in einer anderen gesellschaftlichen oder finanziellen Situation als jetzt und hätte wahrscheinlich ein Drittel der Arbeit.
Durch die Causa Scheuch bricht wieder die Diskussion über strengere Rücktrittsregeln für Politiker aus. Wo sollte man Ihrer Meinung nach die Grenze einziehen?
Normalerweise sollte eine rechtskräftige Verurteilung ein Rücktrittsgrund sein. Eigentlich ist ein Gesetzesverstoß ohne Verurteilung auch schon ein Rücktrittsgrund. Das Verhalten der Freiheitlichen ist unzumutbar für eine demokratische Kultur, darunter fällt auch der Fall Graf.
Die Causa Scheuch wird im Herbst ebenso Thema im Ausschuss sein wie die Regierungsinserate. Was erwarten Sie sich?
Ich erwarte, dass die Regierungsfraktionen nicht mauern. Wir werden noch im September und Oktober Sitzungen abhalten, der Bericht soll im November erfolgen. Der Herbst wird sicher arbeitsintensiv.
Der Sommer auch oder fahren Sie jetzt auf Urlaub?
Ich fahre jetzt auf Urlaub, weil schließlich soll ich im Herbst wieder arbeiten. So ein anstrengendes Jahr hatte ich noch nie.
Zur Person
Gabriela Moser
Die am 28. Juli 1954 geborene Linzerin ist seit 1994 Abgeordnete für die Grünen. Als Telekomsprecherin hat sich die Gymnasiallehrerin intensiv in die Materie eingearbeitet, was ihr den U-Ausschuss-Vorsitz bescherte. Die leidenschaftliche Radfahrerin wird den Sommerurlaub sportlich - mit Segeln und Wandern - verbringen.