Künstliche Intelligenz könnte in der Frühdiagnose von Alzheimer künftig eine Rolle spielen.
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San Francisco/Wien. Künstliche Intelligenz kann Morbus Alzheimer schon Jahre vor der eigentlichen Diagnosestellung vorhersagen. Mit dieser spektakulären Nachricht lassen nun US-Wissenschafter im Fachblatt "Radiology" aufhorchen. Ihnen zufolge verbessert eine neue Technologie bei Gehirnscans die derzeit praktisch nicht vorhandenen Möglichkeiten der Früherkennung.
Je früher die Demenzerkrankung erkannt wird, umso eher können Maßnahmen gesetzt werden, um ein Fortschreiten der Erkrankung zumindest zu verzögern. Die Krankheit des Vergessens lässt sich weder heilen noch stoppen. Einmal untergegangene Nervenzellen können nicht wieder hergestellt werden. Sowohl krankhaft veränderte Tau-Proteine als auch Ablagerungen von veränderten Eiweiß-Bruchstücken, den sogenannten Amyloid-beta-Plaques im Gehirn, führen zu den vielbefürchteten Funktionsstörungen und dem Tod der Nervenzellen.
Stoffwechselveränderungen
Medikamente und andere nicht-medikamentöse Interventionen können allerdings den Verlauf der Erkrankung verlangsamen und die Symptome mildern. Als Medikamente haben sich sogenannte Cholinesterase-Hemmer bewährt, die den Mangel des Nervenbotenstoffes Acetylcholin ausgleichen. Dadurch verbessert sich die Merkfähigkeit. Maßnahmen wie Psychotherapie, Gedächtnistraining oder Physiotherapie können Symptome und Verhaltensauffälligkeiten wie zum Beispiel Schlafstörungen, Unruhe oder Angstzustände mildern.
Der Krankheitsprozess selbst dürfte auch mit Stoffwechselveränderungen verknüpft sein, erklären nun die Forscher um Benjamin Franc von der University of California in San Francisco in ihrer Arbeit. Die neuronale Glukoseaufnahme in einzelnen Gehirnregionen sei symptomatisch dafür. Doch verlaufe diese sehr diffus. Individuelle Unterschiede in diesem Prozess, der via bildgebende Verfahren aufgezeigt werden kann, könnten aber künftig als Biomarker gelten. Sie sind messbare Anzeichen etwa für das Vorhandensein oder den Schweregrad einer Krankheit.
"Der Mensch ist gut im Auffinden spezifischer Biomarker", erklärt Ko-Autor Jae Ho Sohn. Doch Stoffwechselveränderungen seien ein schleichender und verschleierter Prozess und für den Menschen nur schwer zu erkennen.
Deshalb setzten die Forscher auf die Mithilfe von Künstlicher Intelligenz - genauer gesagt auf die Anwendung von Deep-Learning. Dabei handelt es sich um eine Machine-Learning-Technik mit der Computer die Fähigkeit erwerben, aus Beispielen zu lernen. Sie gilt als wichtige Technologie etwa in fahrerlosen Autos, um zum Beispiel einen Fußgänger von einer Straßenlaterne unterscheiden zu können. Zu Hilfe genommen werden Bilder, Texte oder akustische Daten. Deep-Learning-Modelle können manchmal genauere Ergebnisse erzielen als Menschen.
Und das dürfte auch in der Auswertung von Gehirnscans der Fall sein, so die Forscher. Sie trainierten ihr System für ein ganz spezielles bildgebendes Verfahren - bekannt als 18-F-Fluordesoxyglucose-Positronen-Emissions-Tomographie (FDG-PET). Den Patienten wurde ein Glukosepräparat ins Blut injiziert. In Folge konnte mithilfe des PETs die Aufnahme des Zuckers in den Gehirnzellen aufgezeichnet werden. Dieser Prozess gilt als Indikator für die dortige Stoffwechselaktivität.
Deep-Learning zur Diagnose
2100 Scans von 1002 Patienten der Alzheimer’s Disease Neuroimaging Initiative (ADNI) hatten die Forscher als Datengrundlage. Sie trainierten ihren Deep-Learning-Algorithmus mit 90 Prozent der Daten und testeten diesen mit den restlichen zehn Prozent. Das System schaffte es dabei, metabolische Muster, die mit der Alzheimererkrankung einhergehen, zu erlernen. Schließlich testeten die Forscher den Algorithmus in einem unabhängigen Versuch mit 40 unbekannten Bildern fremder Patienten. Mit 100-prozentiger Sensitivität konnte die Erkrankung im Durchschnitt mehr als sechs Jahre vor der eigentlichen Diagnose erkannt werden, heißt es in der Studie.
"Es war uns möglich, jeden einzelnen Menschen zu identifizieren, der später Alzheimer entwickelte", so Sohn. Nun soll eine umfangreichere Studie folgen, um das Resultat bestätigen zu können. Solch ein Deep-Learning-Algorithmus könnte künftig ein wichtiges Werkzeug in der Radiologie werden, um die Früherkennung in vielen Bereichen voranzutreiben, so die Autoren.