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Wider den Ausschreibungszwang

Von Veronika Gasser

Europaarchiv

Das Grünbuch der EU-Kommission zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse beschäftigt in Österreich die Gemeinden und Interessensverbände. Denn hatte die EU unter dem Dogma des Wettbewerbs den Marktzugang für Private in vielen Sektoren wie Telekommunikation, Strom, Gas, Schiene und Postdienste bereits weitgehend durchgesetzt. So regt sich jetzt Unmut in den Mitgliedstaaten über weitere Liberalisierungsschritte bei jenen Leistungen, die von den Kommunen seit jeher günstig und flächendeckend erbracht werden.


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Noch gibt es EU-weit keinen Zwang den öffentlichen Verkehr, die Müllbeseitigung oder Wasserver- und Abwasserentsorgung auszuschreiben. Doch die Gemeinden, der Verband der Öffentlichen Wirtschaft und Gemeinwirtschaft sowie die Arbeiterkammer (AK) fürchten, dass diese Bereiche der Daseinsvorsorge bald auch dem Diktat des Wettbewerbs untergeordnet werden könnten.

In manchen Ländern wie Großbritannien oder Frankreich ist Wasser eine Angelegenheit der Privaten weltweit tätigen Konzerne, diese wollen natürlich weitere Länder "erobern". Doch in Deutschland und Österreich regt sich Widerstand. Aus diesem Grund hat die EU das Grünbuch erstellt, es soll klären wie groß der Liberalisierungsbedarf ist oder ob es den Staaten überlassen bleiben soll, welche Aufgaben sie selbst erbringen und welche sie Privaten übergeben wollen.

Der Ausschreibungszwang würde den Gemeinden das wirtschaftliche Rückgrat brechen, erklärt Valentin Wedl, EU-Experte der AK. "Es trifft zwar zu, dass damit die Gemeinden nicht enteignet werden, doch was nützt dieses Eigentum, wenn es nicht mehr zu verwenden ist." Wedl wählt als Beispiel die Wiener Linien, die bei einer EU-weiten Ausschreibung gegenüber dem Weltkonzern Connex den kürzeren ziehen. Das wäre der Ruin, denn die Wiener Linien könnten nicht so einfach wie Connex ihre Leistungen anderswo anbieten. Sollten nur einzelne Straßenbahn oder U-Bahnlinien ausgeschrieben werden, dann bestünde das Problem der Koordinierung mehrerer Verkehrsbetreiber.

Die EU-Kommission hat schon seit längerer Zeit eine Verordnung über Ausschreibungen im öffentlichen Nahverkehr ausgearbeitet. Die Umsetzung scheiterte bisher am Widerstand des EU-Parlaments. Für die irische Präsidentschaft - ab 2004 - hat diese Verordnung Priorität. Demnach wären Eigenleistungen der Städte und Gemeinden nur dann zulässig, wenn vorher ein Vergabeverfahren stattgefunden hat. Dass die Iren mit diesem Ansinnen durchkommen, ist für Wedl, nicht ausgemacht: "Das EU-Parlament muss noch zustimmen." Er mahnt jedoch zur Vorsicht, denn sollten die EU-Liberalisierungsbestrebungen beim Verkehr glücken, dann wäre "Wasser als nächstes dran".

Maria Berger, EU-Parlamentarierin der SP, kennt interne Papiere der Kommission wonach auch der Wassermarkt geöffnet werden soll. Scheitere eine Verordnung, dann rate die Kommission den Konzernen, Klagen beim Europäischen Gerichtshof einzubringen.