Regierung legte Maßnahmen zur Belebung der Konjunktur vor.
Wien. Es reißt nicht ab. Am Dienstag wieder so eine Meldung, diesmal kommt sie aus der südlichen Steiermark, einer ohnehin nicht gerade begünstigten Region Österreichs: Das Tridonic-Werk in Fürstenfeld, das zum Vorarlberger Lichtkonzern Zumtobel gehört, schließt mit Jahresende. Rund 100 Beschäftigte werden ihre Arbeitsstelle verlieren.
In dem Betrieb werden Vorschaltgeräte produziert, die in Leuchtstoffröhren eingebaut werden. Doch dabei handelt es sich um eine veraltete Technologie, die von der EU aus Gründen der Energieineffizienz im Jahr 2017 vom Markt genommen wird. Man habe schon vor Jahren gewusst, dass die Produktion dieser Geräte irgendwann auslaufen werde, erklärte das Unternehmen. Nun wird an einem Sozialplan gearbeitet.
Derartige Meldungen, wie jene aus Fürstenfeld, mehrten sich in den vergangenen Monaten. Da war die Insolvenz der Jetalliance-Gruppe, GriffnerHaus, Niedermeyer und zuletzt eben die Alpine. Doch es gibt immer zwei Wahrheiten, die gefühlte und die mit Zahlen belegte. Denn insgesamt gab es im ersten Halbjahr 2013 einen Rückgang der Insolvenzfälle um sieben Prozent, wie der Kreditschutzverband 1870 errechnete. Addiert man jedoch die Passiva der Insolvenzfälle, ergibt sich aufgrund der Alpine-Pleite ein dramatischer Anstieg um das 2,7-Fache der Vorjahresperiode. Ohne Alpine hätte der KSV ein Minus errechnet.
Mehr Betroffene
Die Zahl der Beschäftigten, die in insolventen Betrieben arbeiten, schnellte jedoch im ersten Halbjahr um 85 Prozent auf 18.000 Personen hinauf, und auch ohne Alpine-Insolvenz wäre die Anzahl der betroffenen Mitarbeiter um rund 34 Prozent gestiegen. Und für den Nahversorger Dayli, der nach wie vor nach einem Investor sucht, wird die Zeit auch knapp. "Die Fälle werden deutlich größer, das kann man an den betroffenen Dienstnehmerzahlen ablesen", sagt Hans-Georg Kantner vom Kreditschutzverband.
Wenn bei einer Insolvenz oder Betriebsschließung die Anzahl der betroffenen Beschäftigten im drei- oder gar vierstelligen Bereich liegt, ist die Gefahr des wirtschaftlichen Teufelskreises evident. Denn solche Meldungen schaffen Verunsicherung, der Konsum bricht ein, weitere Insolvenzen können die Folge sein.
Diese potenziell problematische Situation mit Konjunktur- und Beschäftigungsprogrammen zu bekämpfen, ist in Österreich längst politischer Konsens geworden, wie auch die Reaktionen auf die Belebungsmaßnahmen der Regierung beweisen. Mit einer Ausnahme nahm die Opposition die Pläne recht wohlwollend auf, zumindest wie das für eine Nicht-Regierungspartei eben möglich ist, also mit diversen Abers. Die Grünen vermissen einen ökologischen Aspekt, das BZÖ hätte sich Steuersenkungen gewünscht.
FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sprach den vorgestellten Maßnahmen generell ihre Wirksamkeit ab und sieht die anstehenden Wahlen als Hauptmotiv für die Investitionen. In seinem Befund zur aktuellen Konjunkturschwäche verweist Strache freilich selbst auf eine seiner Kernbotschaften in Wahlzeiten, nämlich die "Harakiri-Ökonomie auf unionseuropäischer Ebene", die für die derzeitige wirtschaftliche Lage verantwortlich sei.
Das am Dienstag präsentierte Belebungsprogramm ist im Vergleich zu jenen aus dem Krisenjahr 2008 kleiner dimensioniert. Damals waren Maßnahmen für 5,7 Milliarden Euro beziehungsweise zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts beschlossen worden. Nun sind es 1,59 Milliarden Euro für dreieinhalb Jahre.
Lösungen für zwei Probleme
Ein großer Brocken sind jene 276 Millionen Euro, die die Länder 2014 für die Wohnbauförderung erhalten sollen. Das Geld soll aus der Versteigerung von Mobilfunkfrequenzen im Herbst stammen, was den Bauernbund gleich zu einer Protestnote veranlasste. Denn Infrastrukturministerin Doris Bures hätte im März angekündigt, mit den Erlösen die Breitbandversorgung im ländlichen Raum zu finanzieren. Das werde auch passieren, returnierte Bures an den Bauernbund, das Mindestgebot für die Lizenzen liege bei 526 Millionen Euro, jene 276 Millionen, die an das Finanzministerium hätten gehen sollen, werden nun in den Wohnbau gesteckt.
Mit der intensivierten Wohnbauförderung könnte die Regierung gleich zwei Probleme auf einmal erwischen. Noch vor Wochen hatten sich SPÖ und ÖVP Duelle beim Thema billiger Wohnen geliefert, wobei der Befund beider Parteien ähnlich war: Es fehlt das Angebot auf dem Wohnungsmarkt. Die Regierung hofft, dass durch die Investitionen sowie einer Änderung der Rücklagenregelung für gemeinnützige Bauträger 14.000 Wohneinheiten geschaffen werden.
Öffentliche Bauprojekte, vor allem im Bereich des Hochwasserschutzes, werden vorgezogen, wodurch sich die Regierung ebenfalls eine Entspannung auf dem Arbeitsmarkt erhofft. Einig waren sich Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) nach dem Ministerrat darüber, trotz der Zusatzausgaben das für 2016 angestrebte Nulldefizit halten zu können. "Ich sehe dieses Ziel intakt", sagte Faymann. Spindelegger sprach von einem "runden Paket", das nicht über neue Schulden finanziert werde. Die Mittel würden aus Rücklagen, vorgezogenen Projekten und zusätzlichen Einnahmen stammen.
Die Konjunkturmaßnahmen aus dem Jahr 2008 haben, wie das Wirtschaftsforschungsinstitut recherchiert hat, durchaus den erhofften Effekt gehabt. Die Infrastrukturinvestitionen sind in den beiden Folgejahren um 1,4 Milliarden Euro gestiegen, die Finanzierungskosten der Unternehmen um rund zwei Milliarden Euro gesunken und die verfügbaren Einkommen privater Haushalte erhöhten sich um fast sechs Milliarden Euro. Das Wifo errechnete zudem einen Beschäftigungseffekt von kumuliert 10.900 Menschen allein im Jahr 2010.
Wirksamkeit reduziert sich
Angesichts einer fortschreitenden internationalen Verflechtung in der Wirtschaft stellt sich aber die Frage, wie lange derartige Eingriffe nationaler Regierungen noch funktionieren. Auch politische Maßnahmen, um einzelnen größeren Betrieben zu helfen, etwa Haftungsübernahmen, werden problematischer, wenn die Eigentümer im Ausland sitzen. "Das ist auch zurückgegangen", sagt Industrieökonom Michael Peneder.
Österreich sei als kleine Ökonomie schon immer von internationalen Entwicklungen abhängig gewesen, Konjunkturmaßnahmen hätten daher lediglich dämpfende Wirkung und könnten einen allgemeinen Trend nicht umkehren, sagt der Wifo-Experte. Durch die Internationalisierung - die Alpine lag in spanischen Händen, Schlecker war ein deutscher Konzern - "verringert sich aber tendenziell die Wirkung solcher Programme", sagt Peneder. Förderungen für kleine und mittlere Betriebe (KMU) seien aber nach wie vor sehr wirksam, sagt der Experte. Im Programm der Regierung sind für derartige Betriebe in Not zinsfreie Kredite vorgesehen.