Der Kapitalismus hat - spätestens seit dem Ende der New Economy und den damit verbundenen kriminellen Machenschaften - ein Imageproblem: "Wertgewinn durch Werteverfall" lautet der Vorwurf. Ist der Homo Oeconomicus, der durch Gewinnstreben Wohlstand schafft, am Ende vielleicht doch kein so guter Mensch? Damit beschäftigten sich Investkredit-Chef Wilfried Stadler und der Philosoph Eugen Maria Schulak bei einer Diskussion des "Mind Mapping Tables".
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Der Ruf nach strengeren Regeln löse die durch die kriminellen Machenschaften aufgeworfenen Probleme nicht, ist der Banker Stadler überzeugt. Notwendig sei vielmehr der "Mut der Verantwortlichen in der Wirtschaft, sich mit diesem Eliteversagen öffentlich auseinander zu setzen". Auch müsse es endlich ein Ende haben mit der "Heldenverehrung von CEO's".
Anders als der jetzige tschechische Präsident Klaus, der sich für eine "Marktwirtschaft ohne Vorzeichen" ausgesprochen hatte, plädiert Stadler für ein Bild des freien Marktes, in den soziale wie ökologische Anreizmechanismen integriert sind. Mit dem Euro im Rücken habe Europa heute die Chance, seinen ordnungspolitischen Vorstellungen auch Geltung zu verschaffen.
Der Modell des Homo Oeconomicus hat sich für Schulak - jenseits des rein wirtschaftlichen Bereichs - zum "normativen Leitbild des menschlichen Handelns" entwickelt. In seinem Streben nach Leistung sei er die zentrale Ursache für unseren Wohlstand, auch wenn die Wirtschaftswissenschaften in ihren Theorien schon längst von diesem Modell eines streng rational handelnden Menschen abgerückt seien.
Die Konzentration auf den Aspekt der Gewinnmaximierung lasse jedoch die Frage unbeantwortet, worin Gewinn überhaupt besteht und wann das Streben danach für den Einzelnen und die Gesellschaft in Verlust umschlägt. Hier komme zwangsläufig der Begriff des "Maßhaltens" ins Spiel. Denn, so Schulak, mit dem Gewinn verhalte es sich so wie mit dem Prinzip der Lust beim altgriechischen Philosophen Epikur. Auch bei der Lust, die Epikur zum höchsten Wert erklärt hatte, handle es sich um kein unendlich steigerbares Gut.