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Wider die No-future-Politik

Von Leo Gabriel

Politik

Im Schatten des Medienrummels um den heraufziehenden Streik fand vergangenes Wochenende ein besonderes Ereignis statt: In Hallein bei Salzburg tagte ein politischer Kongress fast aller zivilgesellschaftlicher Kräfte, die in den vergangenen Jahren gegen Fremdenhass, Sozialabbau und den Krieg im Irak auf die Straße gegangen waren. ASF - Austrian Social Forum - nannte sich in Anlehnung an das ESF (Europäisches Sozialforum) das Großereignis, das etwa 1.500 Menschen während drei arbeitsfreien Tagen in die Salinenstadt führte, um die Hintergründe für die zukünftigen Handlungsstrategien auszuloten.


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Wir wenden uns gegen Angriffe auf soziale Rechte, die Daseinsvorsorge, den Sozialstaat und das öffentliche Eigentum, wie sie von der Regierung, der EU und den internationalen Finanzinstitutionen ausgehen." Dieser lapidare Satz deutet schon an, worum es den VertreterInnen von etwa 150 sozial engagierten, aber parteiunabhängigen NGOs, GewerkschfterInnen und AktivistInnen sozialpolitischer Initiativen zu tun war. "Wir weigern uns einfach, das menschenverachtende Spiel mit der Arbeit, den Pensionen und der Arbeitslosigkeit weiter mitzuspielen", erklärte Maria Hinterlehner, eine Angehörige der Arbeitsloseninitiative AM SAND, die sich jeden Dienstag im Wiener Amerlinghaus trifft.

Menschen wie sie gab es viele: altgediente AktivistInnen aus den siebziger Jahren und junge frische Gesichter einer Generation, für die "no fu-

ture" kein Fremdwort ist. Sie wollen endlich eine Welt frei von Kriegen und Ausweisungen derer sehen, die zu ihren Opfern geworden sind. Sie alle wollen, dass die Globalisierungsverlierer zu den Nutzniessern einer zukünftigen Gesellschaft werden.

Mit seinen mehr als 175 Veranstaltungen, zu denen sogar ein voll durchprogrammiertes Festival des sozial engagierten Films (die sogenannte "Normale") wie auch ein Auftritt des Schauspielers Hubsi Kramar - allen bekannt durch seinen Hitler-Gruß am Opernball-Auftritt im Jahr 2000 aus Protest gegen die die ÖVP-FPÖ-Regierung - zählten, war das Erste Österreichische Sozialforum ein großer Erfolg. So bescheinigten es zumindest die Meinungsumfragen zu Programmgestaltung, Organisationsgrad und sachlicher Kompetenz der ReferentInnen. Bemerkenswert war auch die Tatsache, dass auf den Podien der Konferenzen ausnahmslos Geschlechterpartität und der sogenannte "migrantische Zugang" bestand. Darunter verstehen die Organisator-

Innen die Tatsache, dass jedes Thema auch aus dem Blickwinkel derer betrachtet werden soll, die in einem anderen kulturellen Milieu aufgewachsen waren.

Aus anderen politischen Kulturen kamen auch die aus Ungarn, Deutschland, Indien, Thailand, Frankreich, Italien und dem arabischen Raum Gäste, unter denen sich u. a. namhafte SozialwissenschaftlerInnen und AktivistInnen verschiedener sozialer Bewegungen befanden. Nur einer, auf den viele gewartet hatten, kam nicht: Jean Ziegler, der Schweizer Schriftsteller und UNO-Sonderbotschafter gegen den Welthunger, der sein neuestes Buch ("Die neuen Herrscher der Welt"; Bertelsmann, 2003) vorstellen wollte. Der in Genf ansässige, scharfzüngige Kritiker des internationalen Finanzkapitals mußte fürchten, von der Schweizer Polizei angesichts der bevorstehenden Demonstration von mehr als 100.000 Menschen gegen den G-8-Gipfel nicht wieder in sein Land gelassen zu werden. Die italienische Polizei hatte zu diesem Zeitpunkt schon den aus Italien stammenden DemonstrantInnen die Einreise verweigert.

Ebenso wie in den Dörfern rund um Evian wurden die zahlreichen Diskussionsveranstaltungen von den Medien kaum wahrgenommen. Diese wachten erst auf, als sich die Diskutanten in Demonstranten verwandelten. In Hallein fand eine halbstündige Besetzung einer Fahrspur auf der Tauernautobahn statt. "Gegen Transithölle und Sozialabbau", war die Losung des friedlichen Protestzugs, zu dem auch der Generalsekretär der Eisenbahnergewerkschaft, Wilhelm Haberzettl, sprach.

Die Probe bestanden

Ein besonderer Stellenwert kam auch der abschließenden Versammlung der VertreterInnen sozialer Bewegungen und Initiativen zu. Nur wenige Stunden nach der Klausur des Ersten Österreichischen Sozialforums - formell getrennt, aber politisch doch wieder dazugehörend - wurden verschiedene Resolutionen angenommen. Dazu gehörte außer der gemeinsamen Schlusserklärung unter dem Titel "Soziale Rechte verteidigen und für eine andere Welt eintreten!" eine eigene Erklärung des sogenannten "Feministischen Forums des ASF", eine Solidaritätsbotschaft an die DemonstrantInnen in Evian und der "Jakarta Friedenskonsens", der erst kürzlich in der indonesischen Hauptstadt verabschiedete Strategieentwurf der weltweiten Anti-Kriegsbewegungen, die am 15. Februar an die 20 Millionen Menschen gegen den Krieg im Irak auf die Straße gebracht hatte.

Die Bevölkerung von Hallein beobachtete diese Events mit Gelassenheit. Wie die ÖVP-Gemeinderätin Eva Habersatter-Lindner in ihrer Schlussansprache bemerkte, waren die Halleiner zunächst etwas mißtrauisch und verunsichert. "Es war eine Probe des gegenseitigen Kennenlernens und Vertrauen Gewinnens, die wir bestanden haben", sagte sie. Nicht ohne Grund vermuten manche, dass deshalb das nächste österreichische Sozialforum im Frühjahr 2004 wieder in Hallein stattfinden wird.